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Donner unter der Kimm

Donner unter der Kimm

Titel: Donner unter der Kimm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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unter dem Einfluß ihres Vaters hatte sie offenbar auch einiges an Bildung mitbekommen.
    Er mischte sich ein, weil er Keens Miene gesehen hatte, wenn er das Mädchen erwähnte. Bolitho hatte nicht vergessen, was es hieß, verliebt zu sein. Doch auf das, was nun geschah, war er völlig unvorbereitet.
    Yovell öffnete die Tür, und Zenoria betrat zögernd die Achterkajüte. Neben Alldays kraftvoller Figur wirkte sie zerbrechlich, trug aber den Kopf hoch, und als sie unter dem Skylight stehenblieb, bewegten sich nur ihre Augen.
    Gekleidet war sie in ein weißes Hemd und die Hose eines Fähnrichs; das lange braune Haar trug sie zurückgekämmt und im Nacken mit einer Schleife gebunden, so daß sie aussah, als gehöre sie ins Batteriedeck. Ihre zierlichen Füße jedoch waren bloß, und Yovell erklärte hastig: »Selbst die jungen Gentlemen hatten keine Schuhe, die klein genug für sie gewesen wären.«
    »Setzen Sie sich. Ich möchte mit Ihnen reden«, sagte Bolitho.
    Er sah, wie steif sie die Schultern hielt. Laut Tuson würde sie die Narbe auf dem Rücken ihr Leben lang tragen. Und das war nur
ein
Schlag gewesen … »Ich hätte gern gewußt…« Sie richtete den Blick auf ihn; ihre Augen waren dunkelbraun und feucht. Kein Wunder, daß Keen in ihren Bann geraten war. »Was Sie in diese Lage gebracht hat.«
    Sie schwieg.
    »Sagen Sie es Sir Richard, er wird Sie schon nicht auffressen«, murmelte Yovell.
    Sie fuhr entsetzt zusammen und rief:
»Sir
Richard!«
    Bolitho wollte Yovell einen wütenden Blick zuwerfen, bat aber nur: »Sagen Sie es mir einfach. Bitte.«
    Doch sie starrte ihn verwirrt an. »Aber – aber den Kapitän kenne ich doch schon!«
    Yovell erklärte geduldig: »Der Admiral hier befehligt alle Schiffe, alle Kapitäne, Miss, und dazu gut zweitausend Seeleute und Seesoldaten.« Er musterte sie ernst. »Er hat also viel zu tun. Heraus mit der Sprache, stehlen Sie ihm nicht die Zeit.«
    Bolitho lächelte. »Er meint es nur gut, Zenoria.«
    Sie schaute auf ihre Hände im Schoß und sagte: »Sie holten meinen Vater ab, Sir. Er war ein guter, kluger Mann, der an die Menschenrechte glaubte.«
    Bolitho hielt den Atem an. Schon allein der Klang ihrer Stimme versetzte ihn zurück nach Cornwall.
    »Ich sah, wie er gehängt wurde, Sir.«
    »Und warum wurde er gehängt?«
    »Schuld daran war der Gutsherr, Sir. Er kam mit seinen Leuten zu unserem Haus, sie wollten die Druckerpresse zerschlagen. Aber mein Vater hat es ihnen gezeigt.« Stolz hob sie das Kinn, sah dadurch aber nur noch verletzlicher aus. »Er zerrte den Gutsherrn vom Pferd, und Nachbarn aus dem Dorf halfen ihm. Einer kam dabei ums Leben. Und dann holten ihn die Dragoner ab.«
    »Wie alt waren Sie damals?«
    »Siebzehn, Sir. Es war vor zwei Jahren. Man schickte mich nach Dorset in einen großen Haushalt, wo ich helf en und die Kinder unterrichten sollte.«
    Es fiel ihm schwer, in Yovells und Alldays Gegenwart frei zu sprechen. Er mußte jedoch sicher sein, daß sie nicht log und keine Hure war, wie der Kapitän der
Orontes
behauptet hatte, und ein Gespräch mit ihr allein hätte gefährlich werden können.
    »Erzählen Sie mir, was in Lyme geschah.«
    »Ihr Urteil kommt an Bord, Mädchen«, sagte Yovell streng. »Lügen ist also sinnlos.«
    »Halten Sie Ihre Zunge in Zaum, Mann!« Bolitho sah das Mädchen zusammenzucken, als gälte sein Zorn auch ihr. Er sagte: »Hol ihr ein Glas Wein, Allday.« Er versuchte, seine Verwirrung zu kaschieren. »Ich muß Bescheid wissen.«
    Sie senkte den Blick. »Alle in Lyme wußten, was aus meinem Vater geworden war. Der Herr betatschte mich immer, machte anzügliche Bemerkungen und meinte, ich könne von Glück sagen, daß ich überhaupt ein Dach über dem Kopf hatte. Dann kam er eines Tages in mein Zimmer.« Sie begann zu zittern. »Er versuchte …« Sie nahm das Glas von Allday an, trank aber nicht. »Er zwang mich zu scheußlichen …« Als sie aufschaute, war ihr Blick flehend. »Ich flickte gerade Kinderkleider.« Sie brachte die Worte kaum heraus. »Da nahm ich die Schere und stach nach ihm.«
    Bolitho stand auf und trat langsam hinter ihren Stuhl. Das alles klang so überzeugend, daß er die Szene fast vor Augen hatte. »Und dann?«
    »Gestorben ist er nicht, Sir, aber ich kam vors Schwurgericht. Den Rest kennen Sie, Sir.« Lebenslange Verbannung.
    »Gehen Sie jetzt zurück in Ihre Kabine, Zenoria.« Bolitho schaute in ihr emporgewandtes Gesicht. Sie war neunzehn, wirkte aber in Hemd und Hose und mit dem

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