Donner unter der Kimm
zurückgebundenen Haar wie ein Kind.
Sie stand auf und gab Allday das volle Glas zurück. »Und auch dieser Kapitän Latimer hatte es auf mich abgesehen.« Mehr brauchte sie nicht zu sagen.
»Morgen wird Ihnen mein Sekretär helfen, das alles aufzuschreiben. Ich kann, ich
darf nicht
so tun, als könnte ich Ihnen in dieser Angelegenheit helfen.« Er berührte sie an der Schulter, und diesmal zuckte sie nicht zurück. »Aber ich will es versuchen. Das verspreche ich Ihnen.«
Er wandte sich zu den Heckfenstern um und wartete, bis die Tür geschlossen wurde.
Als Allday zurückkam, sagte er schlicht: »Das war anständig von Ihnen, Sir. Jetzt heult sie, aber es wird ihr gut tun.«
»Meinen Sie?« Bolitho beobachtete, wie die Flaggen zur Signalrah der
Helicon
hochglitten, sah aber nur die Augen des Mädchens, ihren tiefen Schmerz.
Ich sah, wie er gehängt wurde.
Er dachte an den anderen Gutsherrn, der in Falmouth seine Schwester Nancy geheiratet hatte: ein reicher Landbesitzer, der schon immer das Haus der Bolithos im Auge gehabt hatte. Die Einheimischen nannten ihn den König von Cornwall. Aber er behandelte Nancy anständig, auch wenn er ein Angeber war, der es sich in Friedens- und Kriegszeiten zu gut gehen ließ. Außerdem war er Richter. Hätte er in Zenorias Fall Gnade statt Verbannung empfohlen? Bolitho wußte es nicht.
Draußen schrillten die Trillerpfeifen, das Exerzieren war für heute beendet. Bolitho schaute zur Tür und hörte, wie der Wachtposten die Hacken zusammenschlug. Keen trat ein.
»Darf ich Sie sprechen, Sir Richard?«
Allday und Yovell verließen die Kajüte, und Keen sagte: »Ich habe gerade von Ihrem Verhör erfahren, Sir. Bedauerlich, daß Sie sich nicht an mich wandten …«
»Setzen Sie sich, Val«, erwiderte Bolitho leise. »Wir wollen nicht streiten. Ich habe in Ihrem Interesse mit dem Mädchen gesprochen.«
Keen starrte ihn an. »In
meinem!«
Bolitho wies auf einen Stuhl. »Dort hat sie gesessen. Nun tun Sie das bitte auch.« Er hatte Keen selten zornig gesehen, aber nun war sein Beschützerinstinkt geweckt.
Er sagte: »Wenn wir vor Anker gehen, werden wir sie an Land schicken müssen. Ihrem Bericht nach zu urteilen und auch nach dem, was sie ungesagt ließ, glaube ich aber, daß Hoffnung besteht.«
»Ich werde an meinen Vetter in der City of London schreiben«, brach es aus Keen hervor. »Wir können bestimmt…« Er wandte sich um und schaute Bolitho fest an. »Das war anständig von Ihnen, Sir. Ich hätte es nicht mißverstehen dürfen.«
Bolitho schenkte zwei Gläser Brandy ein; er vermutete, daß Ozzard an der Pantrytür lauschte.
»Sie ist brutal mißbraucht worden, Val.« Seine Worte fielen wie ein Stein in einen stillen Teich. »Vergewaltigt, wie es den Anschein hat, und das ist noch nicht alles.« Er sah die Qual in Keens blauen Augen und wußte nicht, ob ihn das mit Befriedigung oder Trauer erfüllte.
»Ich habe sie sehr gern, Sir«, sagte Keen leise. Er schaute trotzig auf, als erwarte er eine Explosion.
»Das weiß ich, Val, schon seit dem Tag, an dem Sie sie im Krankenrevier besuchten, vielleicht auch früher.« Er nickte.
»Das wäre also geregelt.«
Keen stellte sein leeres Glas ab. Er hatte getrunken, ohne es überhaupt zu merken.
»Aber es ist unmöglich! Schon der Gedanke ist Wahnsinn!«
»Wie alt sind Sie, Val?« fragte Bolitho. »Fünfunddreißig oder sechsunddreißig?«
»Ein Jahr älter, Sir. Und Zenoria ist ein junges Mädchen.«
»Eine
Frau,
Val, merken Sie sich das. Und mit den Jahren macht der Altersunterschied nicht mehr so viel aus.« Er legte den Kopf schief und mußte über Keens Ausdruck lächeln.
Vielleicht hatte er den beiden einen Bärendienst geleistet. Denn es war auch denkbar, daß der Gouverneur von Gibraltar ihr den Aufenthalt versagte. Dann wurde sie doch noch nach Australien transportiert.
Doch wenigstens war jetzt die Wahrheit heraus, was Bolitho überraschend erleichternd fand.
»Ich mache mir doch nur was vor, Sir«, sagte Keen.
Bolitho berührte seinen Arm. »Wir werden sehen.« Er schaute zum Skylight auf, als draußen ein Ruf des Ausgucks erklang. Eine Minute später stand der Midshipman der Wache atemlos in der Tür.
»Verzeihung, Sir.« Er schaute erst Keen, dann seinen Admiral an. »Empfehlung von Mr. Paget, wir haben gerade ein Segel gesichtet, Sir.«
Es war Midshipman Hext, der sich in der großen Kajüte neugierig umsah und zweifellos Einzelheiten für seinen nächsten Brief sammelte.
Bolitho lächelte. »Und
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