Donner unter der Kimm
stieg rasch zum Achterdeck hinauf. Bolitho stand in Luv bei den Netzen, und die
Argonaute
lief so hoch am Wind, wie ihre Rahen gebraßt werden konnten.
Die ganze Nacht über war das Schiff gegen den Wind nach Nordwest aufgekreuzt, bis es das Kap gut querab hatte, um dann zu wenden und auf das Land und die kleine Bucht zuzuhalten, wo der Franzose angeblich lag. Die ermüdenden Wendemanöver verschafften ihnen beim Endspurt auf den Feind einen Vorteil, denn dann würden sie vorm Wind segeln. Selbst wenn es dem Franzosen gelingen sollte, ihnen zu entkommen, gab es für ihn nur einen Fluchtweg, und den würden
Icarus
und
Rapid
blockieren.
Bolitho drehte sich um und fragte: »Wie lange noch?«
Keen sah, wie verkrampft er den Kopf hielt, und litt mit ihm. »Ich lasse bei Tagesanbruch klar zum Gefecht machen, Sir.«
Bolitho klammerte sich an die Netze, als das Schiff in ein riesiges Wellental sackte; es schien vom Bug bis zur Heckreling zu erzittern.
»Bekommen die Männer vorher zu essen?«
Keen lächelte traurig. »Jawohl, Sir. Die Kombüse ist bereit.« Beinahe hätte er »selbstverständlich« gesagt.
Bolitho schien sich unterhalten zu wollen. »Sind die Frauen unter Deck?«
»Jawohl, Sir«, sagte Keen. Er dachte an Millie, die Zofe aus Jamaika. Er hatte den Verdacht, daß sie heimlich ein Verhältnis mit Wenmouth hatte, dem Korporal, der sie vor Unbill schützen sollte. »Die Vorstellung, daß sie während des Gefechts dort unten sitzt, ist mir unangenehm«, gestand er.
Bolitho berührte seinen Verband. »Falls es überhaupt zum Gefecht kommt. Im Augenblick aber, Val, ist sie hier besser aufgehoben als in irgend einem Hafen.«
Zwischen den Decks trillerten die Pfeifen, und Decksoffiziere befahlen den Männern, die Hängematten abzunehmen und zusammenzurollen. Innerhalb weniger Minuten war das Deck von Matrosen überflutet, die zu den Netzen rannten und ihre Hängematten als Schutz gegen Splitter und Musketenkugeln hineinstopften. Aus dem Kombüsenschornstein kam der kräftige Geruch nach gebratenem Speck, und aus dem Luk hörte Bolitho den dünnen Klang einer Fiedel. Zeit zu essen, frische Kleider anzuziehen, mit einem Freund einen Schluck Rum zu trinken und ein Lied anzustimmen. Für manche mochte es das letzte Mal sein.
Keen war nach vorne gegangen, um mit dem Bootsführer zu sprechen. Bolitho drehte sich um und suchte nach dem Wachoffizier. »Mr. Griffin!«
Doch der Schatten war nicht der Leutnant, sondern Midshipman Sheaffe.
Bolitho zuckte die Achseln. »Sagen Sie mir, was vorgeht.« Sheaffe blieb neben ihm stehen. »Mr. Fallowfield sagt, daß es in einer halben Stunde zu dämmern beginnt. Es ist bewölkt, wie Sie sehen, Sir…« Er verstummte und sagte dann: »Verzeihung, Sir Richard.«
»Daran gewöhne ich mich allmählich«, erwiderte Bolitho.
»Aber ich freue mich schon auf den Tag, an dem ich wieder sehen kann.«
Keen kam nach achtern zurück und legte grüßend die Hand an den Hut. »Der Landfall erfolgt pünktlich, Sir«, rief er. »Ich kann bald halsen, aber erst…«
Bolitho, dessen Haar im Wind wehte, drehte sich zu ihm um. »Vergessen Sie nicht, was ich Ihnen eingeschärft habe, Val: Verbannen Sie alles außer dem bevorstehenden Gefecht aus Ihren Gedanken.« Seine Stimme hatte ihren harten Klang verloren, als er hinzufügte: »Sonst wird unsere tapfere Zenoria noch vor ihrer Hochzeit zur Witwe.«
Keen grinste. Er legte die Hände um den Mund, gerade als ein schwacher Sonnenstrahl wie flüssiges Gold an der Großbramstenge hinabglitt, und rief: »Mr. Paget! Klar Schiff zum Gefecht!«
Bolitho holte tief Atem, als Trommelwirbel erschollen und die Pfeifen die Mannschaft zusammenriefen. Er brauchte nicht sehen zu können, um zu wissen, was vor sich ging: dumpfe Schläge unter Deck, wo Trennwände entfernt und persönliche Habseligkeiten ins Orlopdeck, tief unter die Wasserlinie, geschafft wurden. Pulver wurde aus dem Magazin geholt und Sand aufs Deck gestreut, damit die Geschützbedienungen nicht ausglitten. Außerdem sollte er Blut aufsaugen.
Bolitho spürte Allday neben sich und hob den Arm, damit sein Bootsführer ihm den Degen an den Gürtel hängen konnte. Für einen neuen Kampf, zu Sieg oder Versagen. Dachte eigentlich jemand an diese Männer hier, wußte man an Land, wie viele Menschenleben geopfert werden mußten, damit man sich dort ein angenehmes Leben machen konnte?
Pagets Stimme. »Schiff ist klar zum Gefecht, Sir!«
Keen sagte: »Gut gemacht, Mr. Paget, aber beim nächsten
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