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Donner unter der Kimm

Donner unter der Kimm

Titel: Donner unter der Kimm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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räumten im Morgendämmerlicht geschäftig lose Taue weg und scheuerten die Decksplanken. Ein widerlicher Geruch kam aus dem Schornstein der Kombüse; bald würden alle Mann zum Frühstück entlassen werden.
    Bolitho sah, wie der Wachhabende ihn verblüfft anstarrte und sich dann hastig zur Leeseite verzog. Auch die Rudergänger drückten das Kreuz durch; Augenblicke zuvor hatten sie sich noch müde an das Doppelrad gehängt und nur an Frühstück gedacht, wie miserabel es auch ausfallen mochte.
    Ein, zwei Matrosen schauten vom Hauptdeck zu Bolitho auf. Seit seiner Verwundung hatten sie ihn nur selten zu Gesicht bekommen. Er hielt die Hand übers Auge und schaute zum Land: lila und tiefblau über einem stahlblauen Horizont. Am Himmel zogen vereinzelte Wolken dahin, deren Ränder die aufgehende Sonne rosa und golden färbte. Die See war ruhiger.
    Er machte ein paar Schritte, hielt die Hände fest auf dem Rücken verschränkt. Als er nach einzelnen Gestalten Ausschau hielt, schlug sein Herz schneller. Bis auf jene, die in den Schatten zwischen den Geschützen standen, konnte er alle erkennen.
    Er rief den Wachhabenden an. »Guten Morgen, Mr. Machan.«
    Der Offizier legte die Hand an den Hut und eilte herbei.
    »Ein schöner Tag, Sir Richard.« Das klang verwirrt und erfreut.
    Bolitho musterte ihn eingehend. Er konnte ihn besser sehen, als er zu hoffen gewagt hatte, entsann sich aber, Sheaffe vor kurzem mit einem anderen Offizier verwechselt zu haben. Dann merkte er, daß Machan unter seinem scharfen Blick unruhig wurde.
    »Ist vom Masttopp aus die
Helicon
zu erkennen?« fragte Bolitho.
    Sie hatten Inchs Schiff und sein Schwesterschiff noch kurz vor Einbruch der Nacht gesehen; bei Tageslicht würden sie sich alle wieder zusammenfinden – außer der seltsam getarnten
Barracouta –
aber nur, um wieder an Stärke zu verlieren, wenn das Flaggschiff nach Malta segelte.
    Es war Wahnsinn, aber Bolitho wußte, daß der Befehl ihm keinen Spielraum für Auslegungen ließ. Wenn Keen vor ein Tribunal zitiert wurde, mußte er sich auf eigenem Kiel dorthin begeben. Kam er als Passagier auf einer Kurierbrigg, erklärte er sich praktisch schuldig.
    Er stellte fest, daß er wieder rastlos auf- und abging und daß Machan auf seinen Posten an den Netzen zurückgekehrt war. Die Nachricht würde sich erst unter Deck und dann auf allen anderen Schiffen des Geschwaders verbreiten: Der Admiral war wieder auf den Beinen.
    Bolitho setzte sich mit Belindas Brief auseinander. Er war noch immer nicht ganz sicher, was er eigentlich erwartet hatte. Auf jeden Fall mehr. Ihr Brief war nicht kurz, ließ aber jede persönliche Note vermissen. Sie hatte von Haus und Hof geschrieben, von Fergusons Absicht, den Gemüsegarten zu vergrößern, von dem alten Steuereinnehmer, dessen Frau schon wieder ein Kind erwartete.
    Seltsam, er hatte sich den Brief nicht von Yovell oder Ozzard vorlesen lassen, sondern Zenoria gerufen. Ihre Stimme hatte eher wie die Belindas geklungen, doch der Brief selbst war oberflächlich und ausweichend gewesen; London oder ihr kühler Abschied blieben unerwähnt.
    Der Brief schloß: »Deine Dich liebende Frau Belinda.«
    Er entsann sich an den Klang ihres Namens auf Zenorias Lippen; wie sehr ihn das bewegt und beunruhigt hatte… Das Mädchen hatte ihm den Brief zurückgegeben und gesagt: »Sie ist eine gute Frau, Sir.«
    Bolitho hatte ihre Verzweiflung, ihren Neid gespürt. Keen mußte ihr von Pullens Besuch erzählt haben.
    »Kommen Sie ein bißchen näher«, hatte Bolitho gesagt. Als sie sich neben ihn setzte, ergriff er ihre Hände. »Keine Angst, ich halte mein Wort.«
    Ihre Antwort hatte Zweifel verraten: »Wie wollen Sie mir jetzt noch helfen, Sir? In Malta wartet Gefängnis auf mich.«
    Es hatte ängstlich, aber auch entschlossen geklungen. »Die bekommen mich nicht bei lebendigem Leibe! Niemals!«
    Er hatte ihre Hand gedrückt. »Was ich Ihnen jetzt sage, muß unser Geheimnis bleiben. Wenn Sie es meinem Kapitän verraten, machen Sie ihn zum Komplizen. Er darf nicht noch mehr Schuld auf sich laden.«
    Sie hatte eingewilligt.
    Bolitho fröstelte. Noch immer wußte er nicht ganz genau, wie er sich der Angelegenheit annehmen sollte. Doch Zenoria durfte nicht verzagen. Womöglich stürzte sie sich über Bord oder tat sich ein Leid an, nur um nicht wieder eingesperrt zu werden.
    Der Ausguck schrie: »Schiff in Südost! Die
Helicon,
Sir!« Bolitho konnte sich Inchs Schiff vorstellen, dessen Segel in der schwachen Morgensonne wie

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