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Donner unter der Kimm

Donner unter der Kimm

Titel: Donner unter der Kimm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Morgengrauen gesichtet worden. Bald würde der Hafen überfüllt sein.
    Den Brief an Belinda konnte er nicht mehr beenden. Stiefel stampften über die feuchten Planken, und er vermutete, daß die Seesoldaten oben antraten, um ihn zu verabschieden. Keens Gig hatte bereits abgelegt. Bolitho hatte nur kurz mit ihm gesprochen, ihm die Hand gedrückt. Er entsann sich, gesehen zu haben, wie ein Straßenräuber seinem Henker auf ähnliche Weise die Hand schüttelte, ehe sich unter seinen zappelnden Beinen die Falltür geöffnet hatte.
    Warum hatte er Belinda von dem Tribunal hier geschrieben? Weil sie es zu erfahren verdiente? Oder hatte er sich ihr anvertraut, weil er sie brauchte? Seufzend stand er auf und ließ die Feder neben dem Brief liegen.
    Er starrte sich im Spiegel an. Das rechte Auge war fast normal, aber das linke machte ihm schon bei der geringsten Anstrengung Beschwerden. Und er war noch immer nicht ganz sicher auf den Beinen. Selbst hier im Hafen mußte er jeden Schritt mit Bedacht tun.
    Er hörte, wie Ozzard nebenan seinen besten Rock abbürstete. Es klopfte leise, und da der Posten schwieg, wußte Bolitho, daß es Allday war.
    Auch er trug seine beste blaue Jacke mit den Goldknöpfen. Seine Nanking-Hose sah frisch gewaschen aus, und seine Schnallenschuhe hätten einem Kapitän Ehre gemacht.
    Allday musterte ihn grimmig. »Ihre Barkasse liegt längsseits, Sir.«
    »Komme gleich. Ich möchte nicht zu früh eintreffen.« Er sah, wie Allday einen Blick auf den unfertigen Brief warf.
    »Fürs nächste Postschiff.«
    Allday schien zerstreut. »Ich höre, daß der Geleitzug heute und morgen seine Ladung löscht. Dann segelt er weiter nach England.«
    Bolitho sah ihn an. »Was hast du sonst noch erfahren?« Allday war eine bessere Nachrichtenquelle als jedes Signal.
    »Zwei Schiffe haben Gold vom Sultan in der Türkei an Bord, oder wo der sonst regiert.«
    Die Schätze des Sultans würden in England mehr als willkommen sein. Dahinter schien Nelson zu stecken, dem der Sultan nach der Seeschlacht bei Abukir manche Gunst erwiesen hatte.
    Ozzard trat ein und hielt ihm den Rock hin. Bolitho schaute in den Spiegel und berührte den goldenen Abukir-Orden, den er um den Hals trug.
Sieht so ein Held aus?
Kaum, entschied er, jedenfalls fühlte er sich nicht so.
    »Gehen wir.« Bolitho berührte Alldays Ärmel und zog ihn dann beiseite. »Deinen Sohn habe ich nicht vergessen.«
    Allday hielt traurig seinem Blick stand. »Aber ich, Sir. Er will aus dem Dienst scheiden. Ein Glück, daß wir den los sind.«
    Ozzard war schon vorgegangen. Bolitho hörte Hauptmann Bouteiller seinen Seesoldaten zurufen: »Stillgestanden!« Zu Allday sagte er: »Das meinst du doch nicht ernst!«
    Allday schob das Kinn vor. »Machen Sie sich seinetwegen keinen Kummer, Sir. Ich sorge mich nur um Sie. Sie haben so viel für König und Vaterland getan, und jetzt wollen Sie auf der
Benbow
alles kaputtmachen.«
    »Sei doch nicht lächerlich, Mann!« sagte Bolitho. »Du weißt ja gar nicht, was du da redest!«
    Allday holte langsam Luft; seine Brustverletzung machte ihm manchmal Beschwerden, wenn er sich aufregte. »Doch, Sir. Und das wissen Sie auch. Aber ich stehe zu Ihnen, ganz gleich, was passiert.«
    Bolitho fuhr herum, entsetzt über den Kummer in Alldays Stimme. »Das weiß ich, alter Freund. Deine Treue bedeutet mir mehr als …« Er ließ den Satz unvollendet, denn Alldays schlichtes Vertrauen bestätigte ihn in seinem Entschluß. Es war, als hätte sein Bootsführer schon die ganze Zeit gewußt, was er plante.
    Bolitho nahm die rasche Fahrt zur
Benbow
kaum wahr. Dann durch die Eingangspforte, die förmliche Begrüßung, zuletzt achtern die große Kajüte … Herricks Möbel waren entfernt und durch viele Stühle und Bänke ersetzt worden, auf denen Marineoffiziere, einige Zivilisten und drei Besatzungsmitglieder der
Argonaute
saßen. Er sah Stayt, der noch immer Distanz zu allen anderen wahrte, und Keen, neben dem sich Paget niedergelassen hatte. Letzterer war freiwillig erschienen, was Bolitho freute.
    Quer vor den Heckfenstern war ein langer Tisch mit Stühlen aufgebaut worden. Die wenigen Offiziere, die bereits daran Platz genommen hatten, waren vor dem sonnigen Panorama draußen nur Silhouetten.
    Alle Köpfe wandten sich um, als Bolitho eintrat. Auf seinem Weg zu einem freien Stuhl in der ersten Reihe trafen ihn Blicke voll Ehrfurcht, Mitleid oder Neugier. Gewiß saßen hier einige, die sich freuen würden, wenn seine Karriere Schaden nahm.

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