Donner unter der Kimm
empfand zum ersten Mal Angst.
Commander Adam Bolitho strich sich das widerspenstige Haar aus den Augen und sah zu den Männern hoch, die auf den Rahen arbeiteten. Die robuste Brigg
Firefly
legte sich auf Steuerbordbug hart über, die See schäumte bis zu den verschlossenen Stückpforten hinauf und zischte in Kaskaden an den Speigatten der Leeseite entlang.
Er trug nur Hemd und Hose, und die klebten ihm am Leib wie eine nasse Haut. Am liebsten hätte er gelacht oder gesungen, als die Brigg
,
sein Schiff, tief in ein Wellental tauchte und eine Gischtwolke aufwarf.
Er wartete, bis der Bug sich wieder hob, und ging dann zum Kompaß. Das Schiff lief nach Osten und hatte die Balearen irgendwo an Backbord hinter dem Horizont.
Wieder ging es abwärts, und ein riesiger Gischtvorhang wehte übers Vorschiff, wo andere an den Brassen hievten.
Adams Erster Offizier, ein junger Mann in seinem Alter, löste sich schwankend von der Reling und schrie: »Sollen wir reffen, Sir?«
Adam lachte mit weißen Zähnen. »Nein, noch nicht!«
Der Leutnant zog eine Grimasse. Dieser junge Kommandant ließ es immer drauf ankommen.
Adam ging rastlos auf dem Poopdeck hin und her, während seine
Firefly
sich in der groben See aufbäumte. Noch vor wenigen Tagen hatten sie im Schatten des Felsens von Gibraltar gelegen, bereit, das winterliche England anzusteuern. Doch dann hatte er Befehl erhalten, sofort nach Malta zurückzukehren.
Das Fieber in Gibraltar war vorbei. Die Depesche in Adams Stahlkassette wies den Admiral auf Malta an, einen Geleitzug am Auslaufen nach England zu hindern. Falls er aber bereits unterwegs war, sollte sich Adam dem ranghöchsten Offizier des Geleitzugs unterstellen. Bei diesem Gedanken mußte er grinsen. Das war Konteradmiral Herrick, für ihn eher ein gütiger Onkel als ein Flaggoffizier.
Adam war erregt. Er hatte sein Schiff und die See für sich. Die Franzosen waren ausgelaufen; ein Geschwader unter Konteradmiral Jobert war gemeldet worden. Wenn es ihm gelungen war, sich an dem Geschwader seines Onkels vorbeizustehlen, dann wurden dessen Schiffe nun in Gibraltar gebraucht, um die Meerenge zu verschließen und Jobert den Weg in den Atlantik zu versperren: ein gigantisches Katz- und-Maus-Spiel.
Adam wischte sich die Gischt von den Lippen. Ein Spiel für Admirale und pompöse Linienschiffe. Hier hingegen… Er trat an die Heckreling und starrte ins schäumende Kielwasser. Unter seinen Füßen lag seine Kajüte, ein unvorstellbarer Luxus: ein Raum für ihn allein.
Er fragte sich plötzlich, wie das Verfahren in Malta ausgegangen war. Ließ sich denken, daß auch Kapitän Keen vom Fluch der Bolithos getroffen und aus Neid oder Rachsucht von seinem Posten vertrieben wurde? Vor kurzer Zeit hatten sie das nach England bestimmte Handelsschiff
Lord Egmont
passiert, und Adam hatte sich so seine Gedanken gemacht. Es war seinem Onkel zuzutrauen … »Schiff in Luv!« rief der Ausguck.
Morrison, der Erste Offizier, eilte zu den Webleinen, doch Adam sagte: »Nein, ich entere selbst auf.« Als Midshipman war er immer gern in der Takelage herumgeturnt. Der Wind zerrte an seinem Hemd, als er rasch nach oben kletterte. Einmal hing er rücklings in den Wanten und sah hinunter aufs Vorschiff, wo die See über die Reling kochte, ehe sie an Deck sprang und die schwarzen Vierpfünder umspülte.
Er wünschte sich schon lange eine Fregatte, wollte es seinem Onkel nachtun, der einmal der beste Fregattenkapitän der Flotte gewesen war. Doch wenn er sich seine muntere
Firefly
betrachtete, konnte er die Vorstellung, sie einmal abgeben zu müssen, kaum ertragen.
Der Ausguckposten saß bequem im Krähennest und sah verwundert drein, als sich sein junger Kommandant gelenkig zu ihm gesellte.
Adam zog sein Teleskop unterm Gürtel hervor und versuchte, es nach Backbord auszurichten.
Der Ausguck, einer der ältesten Matrosen auf dem Schiff, sagte heiser: »Ich glaube, es sind zwei, Sir.« Er hob die Stimme kaum, war aber trotz des Lärms deutlich zu verstehen. Viele Jahre auf Schiffen aller Art hatten ihn das gelehrt.
Adam schlang ein Bein um ein Stag und versuchte es noch einmal. Der Mast schwang so heftig hin und her wie eine riesige Peitsche.
»Da ist es!« rief er aus. »Sie haben gute Augen, Marley!« Der Matrose grinste. Er brauchte kein Teleskop. Und er mochte den neuen Kommandanten. Dem Aussehen nach allerdings ein Frauenheld, dachte er.
Eine besonders hohe See ließ das fremde Schiff steigen wie einen springenden Wal. Es lief
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