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Donner unter der Kimm

Donner unter der Kimm

Titel: Donner unter der Kimm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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vertreiben. Es war früh am Morgen, und ringsum bereitete sich die Besatzung auf einen neuen, anstrengenden Tag vor.
    Über Nacht war Regen gefallen, doch Bolitho ging mit Absicht auf den nassen Planken auf und ab. Langsam gewann er sein Selbstvertrauen zurück und schrieb seine bisherige Verzweiflung dem Selbstmitleid und Schlimmerem zu.
    Er hörte Keen mit dem Ersten Offizier reden und entnahm seinem Tonfall, daß er die Bestrafung dreier Matrosen besprach, die am Vormittag stattfinden sollte. Überall im Geschwader waren nach
Helicons
Ausfall Unruhen ausgebrochen: Drohungen oder tatsächliche Gewaltanwendungen gegen Decksoffiziere oder Kameraden, worauf üblicherweise Auspeitschung stand. Das Flaggschiff stellte keine Ausnahme dar; selbst Keens Menschlichkeit hatte den letzten Temperamentsausbruch und die strenge Strafe, die ihm auf dem Fuß folgte, nicht verhindern können.
    Bolitho stellte sich seine Schiffe als Wesen mit ganz unterschiedlichem Eigenleben vor, das von dem jeweiligen Kommandanten überwacht und gesteuert wurde. Aber er wußte auch, daß ein Schiff nur so stark war wie seine Mannschaft.
    Bei Tagesanbruch würden seine Schiffe wieder mit
Argonaute
im Zentrum in Querlinie segeln.
Barracouta,
noch immer als Zweidecker getarnt, lag irgendwo achteraus und war bereit, auf ein Signal hin vorm Wind angerauscht zu kommen.
Rapid
kreuzte ganz allein weit vor ihnen in der Hoffnung, ein Fischerboot oder ein Handelsschiff zu finden, das ihnen wertvolle Hinweise geben konnte.
    Sie hatten mehrere solcher Schiffe gesichtet, aber nur drei erwischt. Eines der Fahrzeuge, die sich
Rapids
Verfolgung entzogen hatten, bis die Brigg das Signal zur Rückkehr erhielt, war ein schneller Schoner gewesen. Es war üblich, daß Handelsschiffe vor Kriegsschiffen jeglicher Flagge flohen, doch hier draußen mochte jeder Fremde auch ein Spion sein, der Jobert Hinweise auf ihre Stärke und ihren Kurs zutrug. Lange konnte das nicht so weitergehen. Bald würde Bolitho sich geschlagen geben und die Brigg zu Nelson schicken müssen, um ihm mitzuteilen, was geschehen war. Dann stand zu erwarten, daß Nelson das Geschwader in seinen eigenen Verband eingliedern würde.
    Vier Tage waren vergangen, seit sie sich von
Helicon
getrennt hatten. Es herrschte gutes Segelwetter; der Wind stand günstig, und die Sicht war nicht schlecht.
    Keen kam übers Deck und legte die Hand an den Hut.
    »Irgendwelche Befehle, Sir Richard?« Nur wegen der Rudergänger in der Nähe drückte er sich so förmlich aus. Seine Stimme klang gepreßt. Stand er etwa den Entscheidungen seines Vorgesetzten und den Ergebnissen, die sie bisher gezeitigt hatten, kritisch gegenüber?
    Bolitho schüttelte den Kopf. »Wir suchen weiter. Mag sein, daß sich die Franzosen abgesetzt haben, aber ich bezweifle das.«
    Gemeinsam sahen sie, wie Segel und Rigg von den ersten Sonnenstrahlen getroffen wurden. Querab tauchte
Dispatch
in eine so hohe Düngung, daß die Stückpforten des unteren Batteriedecks wie Glassplitter funkelten.
    Bolitho schaute zu der winzigen Gestalt des Ausgucks im Großmast auf. »Lösen Sie die Männer oben stündlich ab, Val«, sagte er. »Müde Augen können wir heute nicht brauchen.«
    Keen warf ihm einen neugierigen Blick zu.
»Heute,
Sir?«
    Bolitho zuckte die Achseln. Erst jetzt merkte er, was er da gesagt hatte. Warnte ihn ein Instinkt?
    »Ich bin beunruhigt, Val.« Er dachte an Frühstück und die Tatsache, daß er fast die ganze Nacht auf- und abgegangen war. »Verständigen Sie mich sofort, wenn etwas gesichtet wird.« Er schritt nach achtern zu seinem Quartier, wo Ozzard und Yovell ihn erwarteten.
    Bolitho saß am Tisch und sah zu, wie Ozzard das Frühstück zubereitete und Kaffee einschenkte. Er hatte ein Bad nötig und sein Hemd war zerknittert. Doch die Kürzung der Wasserration galt für alle, auch für ihn. Abgesehen von Inch natürlich. Dessen Anblick war eine Qual: manchmal im Fieberwahn, dann wieder abgestumpft und teilnahmslos, vegetierte er dahin. Laut Tuson schien die Amputation erfolgreich gewesen zu sein. Doch Inch gehörte an Land und in ein Hospital. Bolitho wußte aus eigener bitterer Erfahrung, daß jeder Ruf an Deck, jede Änderung von Windrichtung und Kurs selbst in einem sterbenden Seemann alte Ängste weckten – und ganz besonders in einem Kommandanten.
    »Ganz nach Ihrem Geschmack, Sir«, sagte Ozzard und stellte einen Zinnteller auf den Tisch. »Aber es ist leider das letzte Brot aus Malta.«
    Bolitho betrachtete die dünnen

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