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Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)

Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)

Titel: Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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beiden dem Treiben zu, würden sich am liebsten heimlich verdrücken.
Doch mit einem markerschütternden Schrei startet Kilian einen erneuten Versuch,
der wie immer kläglich scheitert. Im selben Moment entdeckt Oleander den Typen mit
den Perlen im Haar, der sie nach Paia gebracht hat, auf der Ladefläche des Kombis.
Er hat seine knubbeligen Surferknie dicht an seinen Ziegenbart gezogen und ruft
ihnen zu: »Es geht nicht mit Gewalt, Jungs. Duckdiving, die Nase des Boards muss
unter die Welle.«
    Die Worte
treffen Oleanders Eitelkeit wie feine Nadelstiche, er packt mit zusammengepressten
Lippen sein Board und stürmt Kilian in die Fluten nach. Die nächste Welle ist noch
mächtiger als alle davor. Sie fletscht ihre Haifischzähne aus weißer Gischt. Oleander
zwingt das Brett mit dem Knie nach unten. Und da ist die Raubfischwelle plötzlich
weich wie Marzipan und lässt ihn ohne Kraftanstrengung durch sich hindurch. Kilian
tauchte ebenfalls hinter ihr wieder auf. Beide johlen übermütig vor Freude.
    Ausgelassen
paddeln sie auf die Gruppe der kreischenden Leute zu, die weiter draußen in Richtung
der großen Wellenkämme krault. Kilian feuert Oleander an. Sie versuchen, die anderen
zu kopieren, sich wie sie aufzurichten, wenn ein Swell unter ihnen anwächst. Doch
auch diese Versuche enden meist in einem Gewirr von Gliedern, einem Board das himmelwärts,
einem geworfenen Geldstück gleich, davonschießt, und mit panisch hochgestreckten
Armen, als würden sie sich selbst am Schopf hinaufziehen wollen, um in letzter Sekunde
frische Luft zu atmen.
    »Eine Meereswoge
atmet genauso wie ein Mensch«, philosophiert der Ziegenbart, als sie das Ufer erreichen
und an seinem Kombi ankommen. Die kleine Gruppe von Surfern, die Oleander und Kilian
eben noch auf dem Wasser bewundert hat, hat sich um die Rostlaube versammelt wie
um den Altar einer Kathedrale. Die Boards werden einer Frau in einem Deep-Purple-Bikini
hinaufgereicht, die sie auf der Ladefläche stehend in Empfang nimmt und mit sicheren
Handgriffen auf einem Holzgestell verstaut. Ihr zierlicher Körper ist durchtrainiert
und biegsam wie eine Gerte, das schmale, fast spitze Gesicht ziert ein voller Kirschmund.
Die rotblonden Haare hat die Frau zu seildicken Zöpfen geflochten. Sie grinst Kilian
unübersehbar an, als der sich alle Mühe gibt, in Jack London Manier seine Muskeln
spielen zu lassen. Oleander findet die Frau atemberaubend schön und ist das erste
Mal angepisst von seinem egomanischen Freund, der jeden Flecken Erde zu einer Theaterbühne
umfunktioniert, auf der natürlich nur er die Hauptrolle besetzen kann.
    »Hey, ich
bin Kilian!«, hört er ihn rufen.
    »Freja!«,
antwortet sie knapp.
    »Freja kommt
aus Dänemark«, sagt der Ziegenbart. »Hab, ehrlich gesagt, keine Ahnung, wo das ist.
Aber Freja ist eine erstklassige Surferin, ein richtiges Talent, die bald mit den
ganz großen Namen mithalten kann. Denkt an meine Worte, Jungs, ihr werdet das noch
erleben!«
     
    *
     
    Für Kilian waren Speedwettkämpfe
auf dem Surfboard die wirklich magischen Momente, stellt Oleander fest, und das
Telefonat mit Freja klingt erneut in seinem Ohr, erzeugt ein unbehagliches Gefühl
von Zeiten, die schon lange vorbei sind. Damals waren wir drei, Kilian, Freja und
ich, selbstzerfressen vom Wunsch, zu surfen. Wir waren Verrückte, die übers Wasser
laufen wollten. Fürchte dich vor nichts, hieß unsere Einstellung, und der Sinn des
Lebens drehte sich einzig und allein um die elementare Frage: Wie werden wir mit
Surfen weltberühmt und haben auch genügend Spaß dabei?
    Doch diese
hochgepriesene Freiheit wurde mehr und mehr, ohne dass wir es realisierten, zu einem
engen Korsett, grübelt Oleander. Diese immerwährende Jagd nach Erfolg schnürte uns
klammheimlich die Luft ab, machte uns zu Sklaven unserer selbst.
    Heute kann
Oleander darüber lächeln, glaubt klüger geworden zu sein als sein alter Freund,
der immer noch starrsinnig dem alten Leben hinterherläuft. Heute fühlt er sich nur
frei, wenn er ohne Absicht am Wasser ist, ohne Leistungsgedanken die Salzluft atmet.
Aber es ist eine brüchige Freiheit, das hat er auch gelernt, eine Freiheit, die
schon verfliegt, kaum dass er die schmale Holztreppe zu Frejas Wohnung hinaufsteigt.
Oben in der Wohnung lauern die alten Seeschlangen, die mit ihren glatten Leibern
seine Gedanken zu unauflöslichen Knäueln verknoten und ihn darüber nachgrübeln lassen,
woher die nächste Kohle kommen soll.
    Er zieht
die Windklamotten aus, setzt

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