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Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)

Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)

Titel: Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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geschieht
ihnen recht, diesen deutschen Teufeln. Auge um Auge. Das ist die Rache dafür, dass
ihr gerade an einem heiligen Feiertag der Juden auf uns Hatz gemacht habt. Das ist
der strafende Gott, der eurem Irrsinn Einhalt gebietet.
    Es ist mittlerweile
stockdunkel im Raum. Herr Rosen liegt immer noch wach, versunken in seinen Gedanken.
Er hört die Deutschen, wie sie vorige Nacht immer wieder mit dem Gewehrkolben an
die Barackentüren hämmern, während er und seine Frau bei ihren dänischen Nachbarn
im Kleiderschrank kauern, schlotternd vor Angst.
    »Aufmachen!«,
schreit die bedrohliche Stimme in seinem Kopf. »Sofort aufmachen!«
    Er hält
unwillkürlich die Luft an und erst, als er in seiner Erinnerung das Stapfen von
Stiefeln im Kies verfolgt, Geräusche von Soldaten, die in einen Lastwagen steigen
und davonfahren, fällt er in einen tiefen Schlaf.
    Es ist sehr
früh am Morgen, der erste Lichtschein schimmert über dem Horizont, als ein merkwürdiges
Fahrzeug am Straßenrand wartet. Das Vorderteil ist ein LKW-Führerhaus, der hintere
Teil besteht aus einem Kastengehäuse, an das eine Holzgasanlage montiert ist. Auf
dem grauen, rostigen Blech steht in schwarzen Buchstaben: Imbert Generatoren GmbH.
Am Steuer sitzt eine junge Frau mit kantigem Gesicht. Sie trägt eine braune Lederjacke
und lange Hosen. Herr Rosen hält sie im ersten Moment für einen Mann, bis er lange
blonde Strähnen entdeckt, die sich unter einer Art Chauffeursmütze hervorgezwängt
haben. Die Frau erlaubt den Flüchtlingen nur jeweils mit einem Gepäckstück einzusteigen.
Schweren Herzens müssen sie den Rest bei den Zwillingsbrüdern zurücklassen. Herr
Rosen setzt sich neben die Frau auf den Beifahrersitz, die anderen fünf steigen
in den Laderaum, der keine Fenster hat. Schwankend setzt sich das zusammengebaute
Gefährt in Bewegung, kommt nur langsam auf Tempo. Auf einem Feldweg geht es durch
einen dichten Laubwald, in dem der beginnende Tag immer wieder zur Nacht wird. Der
Holzgasgenerator des Fahrzeugs macht merkwürdige Geräusche. Es stinkt nach verbranntem
Holz, und der Geruch ist bereits in die groben, braunen Bezüge der Sitze eingedrungen.
Die beißenden Abgase verfangen sich in den Haaren und brennen in den Augen. Die
lange Fahrt geht durch mehrere Wälder, über private Schleichwege mit Schildern:
Durchfahrt verboten. Manchmal erscheinen plötzlich Gestalten, die Schlagbäume öffnen
und hinter ihnen wieder schließen. Nach Stunden erreicht das Gefährt eine Häusersiedlung
und stoppt auf einem Holzlagerplatz, der an das Hafenbecken grenzt.
    »Hier müsst
ihr raus. Aber vorher bekomme ich 100 Kronen«, sagt die Fahrerin. Herr Rosen kramt
in seiner Tasche das Geld zusammen, gibt es ihr und steigt aus. Die Frau öffnet
die Hecktür des Wagens, und während die anderen herausklettern sagt sie: »Ihr seid
in Hirtshals. Versteckt euch hinter den Holzstapeln. Es wird bald jemand hier sein,
der euch zum Fischerboot bringt.«
    Es kommen
weitere Wagen an und langsam sammelt sich eine kleine Schar von Menschen im Schatten
der aufgeschichteten Holzplanken. Sie bleiben dicht beieinander wie ängstliche Tiere
in einer Herde. Stunde um Stunde des Wartens vergeht, das Wenige zu trinken und
zu essen, das einige dabeihaben, ist längst unter allen verteilt. Hinter einem kleinen
Häuschen gibt es ein in die Erde gegrabenes Loch für die Notdurft. Unmerklich breitet
sich eine schleichende Nervosität aus, einige wollen aus dem Versteck heraus deutsche
Soldaten im Hafengebiet entdeckt haben, und Angst geht um. Es dämmert bereits, da
taucht aus dem Nichts ein großer blonder Mann vor ihnen auf. Er hat ein jugendliches
Gesicht, ist höchstens Anfang 20, wirkt aber furchtlos und vertrauenswürdig.
    »Wir müssen
vorsichtig sein«, flüstert er. »Es gibt Denunzianten unter der dänischen Polizei.
Ab jetzt kein Wort mehr!«
    Stumm führt
er die Menschen im Sichtschutz eines Schuppens zu den Trockenplätzen der Fischer
hinüber. Am Kai liegen fest vertäut mehrere Boote.
    »Hierher!«,
ruft jemand, als die Familien aus der Barackensiedlung an einem der Fischkutter
vorbeigehen. Herr Rosen kann Malthe Stræde erkennen und weist aufgeregt mit dem
Finger auf ihn. Sie stürzen auf den Holzsteg zu. Der Fischersohn steht vermummt
in Ölzeug und Südwester an der Reling. Er streckt allen seinen Arm entgegen, zieht
sie an Bord und führt sie weiter unter Deck in den Ballastraum gleich hinter dem
Motor. Die Flüchtlinge müssen sich seitwärts an der Bordwand

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