Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)
entlang am Treibriemen
vorbeidrücken und auf die Schiffsplanken setzen. Die Decke ist so niedrig, dass,
bis auf die Jungen, niemand ganz aufrecht sitzen kann. Malthe lässt mehrere Flaschen
mit Wasser und in Papier gewickelte Brote zurück.
»Ihr müsst
während der ganzen Fahrt unbedingt hier unten bleiben«, sagt er noch eindringlich
und ist wieder verschwunden.
Laute Stimmen
sind auf dem Hafengelände zu hören. Malthe sieht vier Soldaten in Wehrmachtsuniform.
Sie marschieren zwischen dem Schuppen und der Fischtrockenanlage auf die Kaianlage
zu. Der Fischersohn spürt die Gefahr, greift nach seiner Waffe unter der Öljacke,
stürzt von Bord und stellt sich demonstrativ zu Fischern, die mit ihren kräftigen
Gestalten, breitbeinig in Holzschuhen, eine menschliche Front vor den Booten bilden.
Die Soldaten machen halt und beäugen die entschlossen wirkenden Männer. Plötzlich
ist es totenstill, nur einige Möwen kreischen über dem erstarrten Geschehen. Die
beiden Gruppen tasten sich gegenseitig mit Blicken ab, urplötzlich drehen die Soldaten
um und ziehen ab. Erleichtert eilen die Fischer zu den Booten, ein Kutter nach dem
anderen wirft seinen Motor an, und die kleine Flotte verlässt den Hafen.
Malthes
Vater steuert im Ruderhaus das Boot durch die aufgewühlte Jammerbucht, während sein
Sohn am Bug an der Reling steht und mit dem Fernglas den Horizont nach der dänischen
Küstenschutzpolizei absucht. Südlich, in Richtung Küste, huschen Suchscheinwerfer
am Himmel hin und her.
Im Ballastraum
hallt der Rumpf wider vom steten »Tong-Tong-Tong« des Dieselmotors. Es riecht nach
Öl. Niemand kommt zum Schlafen, der Boden ist feucht und hart. Nathan Abrahamowitz
beobachtet apathisch das Auf und Ab der Kolben und hört auf das gequälte Stampfen
des Kutters. Unmerklich vergeht die Zeit, es gibt keinen Anhaltspunkt unter Deck.
Dann bleibt der Motor stehen. Ungewohnte Stille. Wasser klatscht an die Bordwand.
Ein anderes Boot kommt näher, geht längsseits. Laute Befehle fliegen durch die Luft.
Mit Herzklopfen versuchen die Flüchtlinge zu hören, was die schleppende Stimme des
Kapitäns antwortet. Hier unten kann man nicht sehen, was dort oben passiert, gute
oder böse Menschen, zermartert sich Herr Rosen. Seine Sinne sind überscharf, seine
Augen wollen das sehen, was ihm Angst einflößt. Plötzlich ist wieder Stille, eine
Ewigkeit lang. Endlich tuckert das andere Boot davon.
»Alles in
Ordnung«, hören sie von oben die vertraute Stimme von Malthe, »nur ein dänisches
Vorpostenboot.«
Oben geht
der Fischersohn wieder zu seiner Wache zurück und nimmt das Fernglas an die Augen.
Der Wind ist etwas abgeflaut, die Nacht schleicht sich unmerklich heran. Der Mond
hängt als scharfe Sichel hoch im Schwarz des Himmels. Im milchigen Dunst kann Malthe
etwas in den Wellen schwimmen sehen, eine schwarze Kugel mit Hörnern, die wie ein
eisernes Rieseneuter herantreibt. Der Kutter hält genau darauf zu.
»Halt! Stopp
die Maschine!«, schreit er seinem Vater zu. »Eine Mine, Backbord voraus! Wir steuern
auf eine Mine zu!«
Der Motor
stoppt abrupt, der Kutter verliert an Fahrt und schiebt sich in einem Bogen zur
Seite. Die Mine schaukelt, keine zehn Meter entfernt, in der See.
»Kann man
sie wegstoßen, wenn sie herankommt?«, brüllt der Vater aus dem Ruderhaus.
»Nein!«,
schreit Malthe zurück. »Das ist viel zu gefährlich. Aber es sieht so aus, als wenn
die Strömung sie in eine andere Richtung treibt.«
Malthe behält
recht, die Unterströmung lässt den tödlichen Sprengkörper achteraus im Dunkeln verschwinden.
Der Kutter nimmt wieder an Fahrt auf und pflügt durch die tiefschwarze See.
»Es sind
höchstens noch zehn Seemeilen, dann dürften wir die Dreimeilenzone von Schweden
erreicht haben und ihr seid in Sicherheit, Leute. Bis dahin kann eigentlich nichts
mehr schief gehen!«
Ein diesiger
Lichtstreifen schiebt den Morgen über den Horizont, die Nacht gibt den nächsten
Tag frei. Zum Greifen nah taucht in der trüben Luft die schwedische Küste auf. Malthe
holt die Flüchtlinge an Deck, und Herr Rosen stiert wie elektrisiert zum Hafen hinüber.
Tränen rollen über seine Wangen. Er drückt seine Frau ganz fest an sich und beide
wimmern vor Erleichterung. Frau Abrahamowitz schluchzt laut auf, ihr Blick irrt
zwischen dem Land und ihrer Familie hin und her. Kai und Molen sind voll mit winkenden
Menschen, Möwen fliegen Ehrenrunden, jemand in der Ferne beginnt lauthals die schwedische
Nationalhymne zu singen, und
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