Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)
wurden damit bestimmt Fischkutter
an Land gezogen. Der Strand ist voll mit hellblauen Holzbooten, großen, die aufrecht
im Sand stehen und kleineren, die zur Seite geneigt liegen. Eine aufgeschüttete
Mole ragt ins Meer hinein, daneben tummelt sich eine Schar von Surfern in den Wellen.
»Herrjemine!«,
stöhnt Silvia. »Schaut euch das Gewimmel an! Die sehen doch alle gleich aus. Wer
von denen ist bitte dieser Niels Skov?«
»Ich horche
mich mal unter den Jungs um«, verspricht der Däne und stapft auf eine schwarze Neoprengestalt
zu, die gerade mit ihrem Board unterm Arm das Wasser verlässt.
Zwischen
den Steinquadern der Mole, die bis auf den Strand liegen, glänzen verendete Fischleiber.
Swensen schaut unangenehm berührt auf die unzähligen toten, glasigen Augen, die
unter Plastikmüll und Treibholz hervor ins Nichts starren. Möwen stolzieren dazwischen
hin und her und hacken die weichen Körper auf, prügeln sich mit ihren Flügeln um
das Gedärm.
Der Däne
winkt Haman und Swensen zu sich, deutet auf eine schwarze Gummigestalt auf einem
knallroten Baord und sagt: »Das ist euer Mann!«
»Und nun?
Wie kriegen wir ihn an Land?«, fragt Swensen.
»Indem wir
warten. Gehen wir solange am Kiosk einen Hot Dog essen, bis er keine Lust mehr hat.«
»Ich bin
Vegetarier, ich warte hier«, sagt Swensen, und Silvia übersetzt dem verdattert dreinschauenden
Dänen: »Han er vegetar! Ich nicht, also gehen wir.«
Während
die beiden auf eine Reihe Holzhäuschen zusteuern, lehnt sich der Kriminalist an
einen verwitterten Betonklotz, dessen verrostete Metallteile verraten, dass er mal
eine Zugvorrichtung für die Kutter war. Der Wind bläst ihm ins Gesicht, und er schaut
den heranrollenden Wellen zu, die nicht besonders hoch sind, aber ab und zu blau
und rein in der Sonne funkeln. Die Surfer im Wasser dümpeln lässig wie Seehunde
vor sich hin, bis im nächsten Moment einer mit aller Kraft auf eine Welle zupaddelt,
sich auf dem Board aufrichtet, um im rasanten Tempo auf dem kochenden Schaum fortgerissen
zu werden. Swensen lässt sich mitreißen, gleitet gedankenverloren über die Wasserfläche,
wird eins mit dem Augenblick, dem ewigen Ziehen und Schieben der Gezeitenkräfte.
Wie aus dem Nichts leuchtet plötzlich das knallrote Board von Niels Skov vor seinem
Auge, er sieht es näherkommen, auf den Strand zusteuern. Der Surfer gleitet stehend
auf den Ufersand, steigt einfach nur ab. Mit einer eleganten Bewegung packt er sein
Sportgerät, klemmt es unter den Arm und muss vor Swensen stoppen, der ihm in Windjacke
und Mütze im Weg steht.
»Niels Skov?«
Der Surfer
zieht seine Neoprenkapuze vom Kopf, die blauen Augen unter den blonden, buschigen
Augenbrauen taxieren argwöhnisch den Hauptkommissar, den er so gar nicht einordnen
kann.
»Hvad ønsker
De?«
»Do you
speak English?«, fragt Swensen und als der Surfer kurz mit dem Kopf nickt wiederholt
er. »Sie sind Niels Skov?«
Der Mann
nickt erneut.
»Mein Name
ist Jan Swensen, ich bin deutscher Kriminalpolizist und habe ein paar Fragen zu
Oleander Eschenberg. Sie kannten Herrn Eschenberg doch oder?«
»Ole? Dette
Røvhul! Mir wäre lieber, ich hätte ihn nicht gekannt!«
»Daraus
schließe ich, Sie mochten Herrn Eschenberg nicht besonders?«
»Könnte
man so sagen. Aber ich habe ihn nicht ermordet, wenn Sie darauf zusteuern.«
»Wenn Sie
mir verraten, weswegen Sie Herrn Eschenberg nicht mochten, glaube ich Ihnen das
vielleicht.«
»Weil er
mich betrogen hat, det dumme svin!«
»Wie hat
er das gemacht?«
»Wenn Sie
mit zu meinem Auto kommen, dann zeige ich es Ihnen«, sagt der Mann und stapft entschlossen
mit großen Schritten über den Strand davon. Swensen klebt an seinen Fersen. Der
enge Gummianzug zeigt jede Kontur des Körpers, die breiten Schultern und die strammen
Schenkel mit den kraftvollen Bewegungen.
Der Mann
ist richtig wütend, denkt Swensen.
Niels Skovs
Muskeln spannen, schwingen im Rhythmus der Füße. In der Wut kochen alte Bilder hoch,
brodeln durch sein Bewusstsein, gischtfransig wie herabdonnernde Brecher.
Das kleine Brett, das Moritz für
Ole und Niels aus Deutschland mitgebracht hat, ist ziemlich schmal mit einem guten
seitlichen Widerstand, um im starken Passatwind nicht zu viel an Tempo einzubüßen.
Die Leinen des neuen Segels kreuzen sich nicht mehr, Niels kann ohne Probleme Kurs
halten. Oles neue Karabinerhaken fürs Handgelenk sind hervorragend, sie öffnen sich
bei zu starkem Druck. Bei einem Sturz lösen sich die Leinen, und
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