Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)
»Und hier steht’s, ›Patent
über ein Gurtsystem mit vier Leinen‹! Die Handhabung in der Praxis hat gezeigt,
dass es für den Kitesurfer erstrebenswert ist, den durch den Gleitschirm entwickelten
Vortrieb aus eigener Kraft regulieren zu können. Eine bodenlose Frechheit! Da steht
doch tatsächlich das Wort ›Handhabung‹! Der hat doch glatt ›Handhabung‹ da reingeschrieben!«
»Es ist
nicht zu überhören, dass Sie verärgert sind, Herr Skov«, kommentiert der Hauptkommissar
den erneuten Wutausbruch.
»Sie haben
recht, ich bin ein Kandidat mit einem fantastischen Motiv, aber ich bin Surfer.
Bei unserem Sport geht es um mehr, als Geld zu machen. Natürlich ist es schön, wenn
etwas dabei herausspringt. Aber das war nie meine Motivation, das können Sie mir
glauben.«
»Sie sind
trotzdem schnell erregbar, oder?«
»Ich finde,
ich habe einen guten Grund dafür.«
»In dem
Mordfall von Herrn Eschenberg gibt es ein Gerücht, das Sie ebenfalls betrifft. Es
wird behauptet, Ihre Freundin, Frau Misugi, soll ein Verhältnis mit Herrn Eschenberg
gehabt haben. Ein noch größerer Grund, um wütend zu sein!«
»Ein dummes
Gerücht, uralt, über zehn Jahre. In der Zeit dürfte selbst die größte Wut verraucht
sein.«
»Wenn das
Gerücht wahr ist und ihre jetzige Wut noch dazukommt, sieht es schon anders aus
oder? Vielleicht haben Sie es ja auch erst vor kurzem erfahren, das Herr Eschenberg
es mit Ihrer Freundin getrieben hat?«
»Und welcher
Vogel sollte mir das gesungen haben?«
»Sagen Sie
es mir!«
»Es gibt
keinen!«
»Wie wäre
es mit Freja Sjøqvist?«
»Die würde
nicht mit Steinen werfen!«
»Wieso sollte
Frau Sjøqvist das nicht tun? Vielleicht ist sie nur sauer auf Ihre Freundin?«
»Quatsch!
Freja sitzt selbst im Glashaus. Über sie gibt es auch genügend Gerüchte, ich sage
nur Kilian Martens!«
»Mich interessiert
jedes Gerücht, Herr Skov, selbst wenn es sich als unwahr herausstellen sollte.«
»Es stimmt
aber! Ich bin selbst Zeuge! Vor zwei Wochen, der Surfwettbewerb in Frankreich, da
habe ich Freja und Kilian zusammen gesehen.«
»Sie haben
gesehen, dass die beiden im selben Bett waren?«
»Nicht direkt,
aber sie sind zusammen in dasselbe Hotel gegangen.«
»Das ist
alles?«
»Das ist
mehr als genug. Zählen Sie eins und eins zusammen, dann kommen Sie genau zum selben
Ergebnis.«
»Kopfrechnen
ist meine Schwäche. Aber ich finde, eine Menge Menschen beschuldigen sich auf Teufel
komm raus, ohne dass einer wirklich einen Beweis liefert. Stimmt denn das Gerücht,
dass Sie und Herr Eschenberg kurz vor seinem Tod einen handfesten Streit hatten?«
»Eine harmlose
Kabbelei, nicht der Rede wert. Außerdem hat Knud diesen Streit vom Zaun gebrochen.«
»Sie meinen
Knud Abrahamowitz?«
»Genau der!
Es ging um die alten Bunkerruinen der Deutschen.«
»Wie kann
man sich über alte Bunkerruinen streiten?«
»Wegen dem
Scheißdreck, den Knuds Familie durch die Deutschen in Dänemark erleiden musste.
Ich konnte Knud gut verstehen, er hat mir mal alles erzählt. Sein Vater, sein Onkel
und seine Großeltern mussten nach Schweden fliehen, weil die Deutschen alle Juden
in Dänemark umbringen wollten.«
»Wusste
Herr Eschenberg denn, dass Knud Abrahamowitz Jude ist?«
»Keine Ahnung!
Aber ich denke, er wusste es nicht. Knud hat das bestimmt nicht jedem auf die Nase
gebunden. Mir hat er es auch nur erzählt, weil wir zusammen ordentlich einen zur
Brust genommen hatten.«
*
»Als ich mein Philosophie-Studium
geschmissen habe, da sind von meinen Kommilitonen nur dumme Sprüche gekommen. Sie
meinten verächtlich, dass Meditieren doch nur eine Flucht aus der Welt wäre«, berichtet
Swensen zu seiner Person.
Es ist noch keine Woche her, dass
er sich im buddhistischen Kloster in die ungewohnte Struktur eines neuen Tagesablaufs
einzuleben beginnt, aufstehen, waschen, zwei Stunden meditieren, Frühstück, zwei
Stunden arbeiten, wieder meditieren, Mittagessen und so weiter und wieder von vorn.
Am heutigen
Morgen hat die kleine, hutzlige Gestalt in der orangefarbenen Leinenrobe die neuen
Schüler das erste Mal im Kreis um sich herum versammelt. Sie möchte, dass sie über
sich sprechen und ihm Fragen stellen, die sich in ihrem Kopf gebildet haben. Jetzt
sitzt der Meister mit geschlossenen Augen vor ihnen, ein Dauerlächeln auf den Lippen
und schweigt. Die Zeit verstreicht und Swensen spürt, dass er die Stille nicht mehr
aushalten kann.
»Kann es
möglich sein, dass Meditieren wirklich zu
Weitere Kostenlose Bücher