Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)
Dörfern und einzelnen Gehöften.
»Das ist
der Vandet Sø!«, erklärt der Däne und deutet nach links auf den großen See, der
sich durch die bewaldete Landschaft zieht. »Es ist ein ruhiges Gewässer! Gut geeignet
für Windsurf-Einsteiger. Bei Südost-Wind ist der See allerdings glatt wie ein Kinderpopo.«
»Ich glaube
kaum, dass wir Zeit zum Surfen finden werden«, erwidert Silvia übermütig. »Oder
gibst du kostenlose Übungsstunden, wenn wir Feierabend haben?«
»Ich fürchte,
ich bin aus der Übung. Aber das heißt natürlich nicht, dass wir nichts unternehmen
könnten, Silvia. Du musst das Kirsten Kjærs Museum ansehen. Es ist voller alter
Gemälde. Die werden dir bestimmt gefallen.«
»Das wäre
schön!« Silvia sitzt auf dem Beifahrersitz wie ein Schulmädchen, das sich gerade
zum Stelldichein verabredet hat.
Silvia und
Kunst, denkt Swensen und bemerkt gleichzeitig, dass er schon wieder bewertet. Für
den Rest der Fahrt versucht er sich in Achtsamkeit zu üben, bleibt ein neutraler
Zuhörer und Beobachter. Ihr Wagen passiert das Ortsschild von Klitmøller und stoppt
wenig später vor einem einstöckigen Gebäude, welches ein offenes Viereck um einen
Vorhof bildet. Die schmutzigen Mauern müssen einmal weiß gewesen sein, die Dachrinnen
sind rostig, und auch das Wellblechdach ist stellenweise rotbraun verwittert. Auf
dem ovalen Schild, von einer Krone geziert, steht in goldenen Buchstaben: Klitmøller
Kro & Badehotel.
»Es dauert
nicht mehr lange, dann bricht das Teil zusammen«, stellt Swensen trocken fest, als
er mit Haman und dem Dänen neben einer leeren Fahnenstange auf dem Kiesplatz steht
und sich überlegt, an welcher Stelle in dem riesigen Haus sich die Wohnung von Freja
Sjøqvist befinden könnte. Die Eingangstür im Hauptgebäude wurde anscheinend schon
jahrelang nicht mehr geöffnet.
»Die Adresse
stimmt!«, sagt Silvia überzeugt, nachdem sie in ihrem Notizbuch nachgesehen hat.
Sie beschließen, getrennt das Gebäude zu umrunden. Vicepolizeikommissar Toksvig
wird als Erster fündig und ruft die Deutschen zu einer Auffahrt am rechten Seitenflügel.
Über dem Türschild mit dem Namen Sjøqvist ist ein Klingelknopf. Swensen drückt,
kann aber kein Klingelzeichen hören. Doch es öffnet sich ein Dachfenster und eine
Frau beugt sich heraus. Der Däne erklärt, weswegen sie gekommen sind. Schritte kommen
eine Treppe herab, die Haustür geht auf. Es ist Freja Sjøqvist, sie erkennt Silvia
Haman sofort wieder.
»Wir kennen
uns«, sagt sie im akzentfreien Deutsch.
Das Wohnzimmer
im ersten Stock ist geschmackvoll eingerichtet. Die Kriminalisten dürfen auf dem
alten Ledersofa und einem Sessel Platz nehmen. Swensen lehnt sich entspannt zurück
und lässt seinen Blick unauffällig durch den Raum schweifen. In einem Dacherker
zieht sich eine breite Fensterfront entlang, die Fahnenstange vom Kiesplatz ist
zu sehen. An der linken Wand steht eine flache Couch, darüber hängt der Knochenschädel
eines Wasserbüffels, dessen geschwungene Hörner über die gesamte Fläche ragen. Auf
dem Tisch vor ihnen liegen stapelweise Surfmagazine. Freja Sjøqvist sitzt ihm in
einem zweiten Sessel direkt gegenüber.
»Sie bekommen
ein Baby?«, fragt Swensen unverblümt und registriert, dass seine Frage die Frau
völlig überraschend trifft. Er sieht, wie sie nach Fassung ringt und ihre Lippen
mehrmals kurz zucken.
»Wie … wo
… woher wissen Sie das?«
»Dann stimmt
das Gerücht?«
Freja Sjøqvists
Blick geht durch Swensen hindurch. Sie hat die Augenlider halb geschlossen, ihre
Miene ist verschlossen.
»Ole hatte
fest versprochen, es niemandem zu sagen«, sagt sie fast zu sich selbst.
»Die Familie
von Herrn Eschenberg ist über Ihre Schwangerschaft nicht unterrichtet. Sie haben
es verschwiegen, als Sie auf der Beerdigung waren. Warum? Herr Eschenberg war ihr
einziger Sohn! Glauben Sie nicht, dass seine Eltern sich über die Nachricht freuen
würden?«
»Das ist
einzig und allein meine Angelegenheit.«
»Frau Sjøqvist,
ich möchte Ihnen auf keinen Fall zu nahe treten, aber wir ermitteln in einem Mordfall!
Sie wissen, dass Herr Eschenberg getötet wurde. Jede Information ist wichtig für
uns, damit wir den Täter ermitteln können. Das wollen Sie doch sicher auch?«
»Ich möchte,
dass er seine Strafe erhält. Aber das hat nichts mit meiner Schwangerschaft zu tun.«
»Es könnte
aber etwas miteinander zu tun haben. Gibt es einen triftigen Grund, warum Sie darüber
nicht sprechen möchten, Frau Sjøqvist?
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