Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)

Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)

Titel: Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
Vom Netzwerk:
darauf?«
    »Herr Martens,
haben Sie etwas damit zu tun oder nicht? Meinen Sie nicht, dass wir das sowieso
irgendwann herausbekommen werden?«
    »Und wenn
das so wäre, was hat das Ganze mit Ihrem Mordfall zu tun?«
    »Diese Beurteilung
überlassen Sie lieber uns! Also, reden Sie endlich!«
    »Ich habe
Freja angeboten, wenn Sie mich nach der Geburt als Vater eintragen lässt, wird sie
nie mehr Geldprobleme haben.«
    »Sie wollen
das Kind kaufen?«
    »Quatsch,
Freja und ich sind über Jahre in einer engen Beziehung gewesen. So wäre es doch
am besten, für alle, besonders aber für das Kind.«
     
    *
     
    »Der Staat hat seine Erziehungsarbeit
so einzuteilen, dass die jungen Körper schon in ihrer frühesten Kindheit zweckentsprechend
behandelt werden und die notwendige Stählung für das spätere Leben erhalten«, schreibt
Adolf Hitler 1925 in ›Mein Kampf‹. Acht Jahre später heißt das Resultat ›Napola‹,
ein Kürzel für Nationalpolitische Lehranstalten, die sofort nach der nationalsozialistischen
Machtübernahme als Gemeinschaftserziehungsstätten gegründet werden.
    Mit 13 Jahren,
an einem grauen Septembertag 1942, fährt Horst Janssen in Richtung holländische
Grenze nach Haselünne. Die Erziehungsanstalt von Haselünne ist ein bollwerkartiges
Kloster mit gewaltigen Räumen, Gängen und Sälen. Der junge Pimpf muss seine adrette
Kleidung gegen die Uniform tauschen, kommt in einen straffgeführten Tagesablauf:
Wecken, Frühstück, sechs Stunden Schulunterricht, Gemeinschaftsessen, Mittagsschlaf,
Sport und Exerzieren, Kaffeezeit, Hausaufgaben, Abendbrot, Appell und Zapfenstreich
um neun Uhr. In der Erziehung geht es auch immer um den Gedanken der Bewährung für
das Vaterland und den Kampf an der Front. Sportlicher Drill und Waffen- und Geländeübungen
im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie.
    »Es war
alles neu und machte Spaß«, sagt Janssen rückblickend mit 20 Jahren.
    »Es war
ein böses Himmelreich auf Erden«, kommentiert er seine Zeit in der Napola mit 50
Jahren.
    Vom ersten
Tag an gibt es eine feindliche Stimmung zwischen den katholisch geprägten Bürgern
und Bauern von Haselünne und den Absolventen der Eliteschule. Sie werden immer wieder
als ›SS-Schweine‹ beschimpft. So kommt es auch zu einem Zwischenfall während einer
Reitstunde, an der Jungmann Horst Janssen mit seinem Pferd Rosinante teilnimmt.
Einer der Eliteschüler wird mit einer Steckrübe beworfen. Sein Pferd scheut, geht
durch. Der jugendliche Reiter stürzt herunter, bleibt im Steigbügel hängen. Das
Pferd schleift ihn zwei Kilometer weit über das Steinpflaster bis vor die Klosterbrücke.
Der Kopf des Reiters ist zerschmettert und bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Horst
Janssens Rosinante ist dem durchgehenden Pferd brav auf dem Huf gefolgt, und der
spiddelige Jungmann Janssen muss den schrecklichen Vorfall aus nächster Nähe miterleben.
    Er bleibt
bis Kriegsende auf dieser Eliteschule, bis die Alliierten von Westen heranrücken.
Haselünne ist nur wenige Kilometer von der holländischen Grenze entfernt. Auf einem
Acker vor dem Kloster stürzt ein englisches Kampfflugzeug ab. Die Jungmannen, von
dem Ereignis angelockt, rennen zur ausgebrannten Maschine. Aus der Entfernung kann
Janssen den Piloten aufrecht im Cockpit sitzen sehen. Als jemand ihn berührt, zerfällt
der Tote zu Staub.
    »Ein Kriegsdrama,
das sich bestimmt als traumatische Erinnerung in das Gedächtnis des Künstlers Janssen
eingegraben hat«, kommentiert der Biograf in seinem Buch.
     
    »Meine sehr verehrten Damen und
Herren, in Kürze erreichen wir Kassel-Wilhelmshöhe«, reißt eine Stimme aus dem Lautsprecher,
die sehr an Lindenbergs Genuschel erinnert, den Hauptkommissar aus seiner Lektüre.
Er klappt die Janssen-Biografie zu, in der er seit seiner Rückkehr aus Dänemark
liest, und legt sie vor sich auf den schmalen Tisch. Seitdem Swensen erfahren hat,
dass der berühmte Zeichner einmal in Witzwort einen Haubarg gekauft hatte, war sein
Interesse, mehr über diese skurrile Person zu erfahren, gewachsen, und er hatte
das Buch in der Husumer Buchhandlung bestellt.
    Jetzt blickt
Swensen in das Gesicht des Künstlers, eines seiner Selbstbildnisse, welches das
Buchcover ziert. Eine radierte Fratze, ein Auge blind, nur noch schwarzes Loch,
das andere tastet sich vorsichtig unter dem Lid hervor, ein Totenkopf, über den
der Zeichner ein Lappen Haut gezogen hat.
    Wir leben
im Schatten einer unbewussten Tätergesellschaft, assoziiert der Kriminalist in

Weitere Kostenlose Bücher