Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)
Dinkelsortiment Glücks- und Nervenkekse.
Seine Laune hebt sich sofort, schmunzelnd nimmt er jeweils eine Packung. Die Kasse
ist auch wieder zugänglich.
»Können
Sie mir sagen wo ich Schwester Damaris finde«, fragt er die Nonne hinter dem Verkaufstresen.
»Da haben
Sie Glück«, sagt diese lächelnd, indem sie die Glückskekse eintippt. »Schwester
Damaris verkauft den Klosterwein. Sie treffen sie gleich dort hinten.«
Die Nonne
deutet in den Raum, aus dem er soeben mit seinen Keksen gekommen ist, und reicht
ihm das Wechselgeld und seine Backwaren.
»›Domus
Domini‹ ist ein klassischer trockener Riesling. ›Mons Sanctus‹ ein fruchtig-spritziger,
halbtrockener Riesling und ›Hildegardis Scivias‹ ein eher vollmundiger Riesling«,
erklärt die Ordensschwester einem vermeintlichen Ehepaar mit überzeugendem Frohsinn
in der Stimme. Swensen stellt sich dazu und mustert die etwas füllige Frau. Die
Wangen unter den hohen Backenknochen sind eingefallen, ihr Kinn tritt spitz hervor.
Unter dem von Falten durchzogenen Gesicht ist ihre frühere Schönheit noch zu ahnen.
Wenn sie lächelt, lüftet sich ein weißer Schneidezahn aus der Zahnreihe auffällig
hervor. Der Tisch vor ihr ist mit einer blütenweißen Decke überzogen, darauf stehen
kleine Gläser in Reih und Glied, in die sie jeweils einen Schluck des gerade angepriesenen
Weines füllt und ihn den Kunden zum Probieren reicht.
»Sie machen
einen sehr erkälteten Eindruck, mein Herr«, spricht sie den Hauptkommissar an.
»Halb so
schlimm«, beschwichtigt Swensen. »Ich bin nur ein wenig nass geworden.«
»Sie brauchen
einen kräftigen Schluck von Hildegards Kräuterbitter.«
»Das ist
wirklich nicht nötig«, wehrt der Kriminalist ab.
»Keine Widerreden!«,
sagt die Ordensschwester, und auf ihren graublauen Augen liegt ein Schimmer von
Freude. »Sie trinken ein Glas und ich versichere Ihnen, in fünf Minuten geht es
Ihnen besser.«
Dem Kommissar
bleibt nichts anderes übrig, als vor dem heiteren Liebreiz der Frau zu kapitulieren.
Er stürzt das dunkle Getränk herunter, spürt sofort eine wohlige Wärme, die sich
von seinem Magen in den ganzen Körper ausbreitet.
»Sind Sie
Schwester Damaris?«, fragt er dann ohne Umschweife.
Ihre Lippen
zucken kurz, doch ihr Gesichtsausdruck bleibt ihm zugewandt. Ahnungsvoll sieht sie
Swensen direkt in die Augen.
»Dann sind
Sie der Kriminalpolizist aus dem Norden, der bei unserer Äbtissin angekündigt wurde?«
»Ja, genau
der bin ich«, bestätigt Swensen. »Kann ich Sie für einen kurzen Moment sprechen?«
»Ich habe
Sie erwartet. Einen Augenblick Geduld, bitte.« Die Ordensschwester zieht ein Handy
aus einer Gürteltasche, die sie um ihren Habit trägt, und wählt eine Nummer. »Schwester
Klarissa, könntest du bitte für eine Weile den Weinverkauf im Klosterladen übernehmen,
der Polizist aus Husum ist angekommen.«
»Das ganze
Kloster weiß Bescheid, dass ich komme?«
»Wir sind
eine Gemeinschaft, Herr Kommissar. Die Gemeinschaft trägt uns und hilft uns, auch
schmerzliche Erfahrungen auf unserem Weg zu bestehen. Ich würde mit Ihnen gerne
in einen der Kreuzgänge gehen, dort kann man den weiten Atem Gottes spüren. Sie
können mir dann in Ruhe und Frieden mitteilen, wobei ich Ihnen behilflich sein kann.«
Swensen
folgt der Schwester durch einen Innengarten der Klosteranlage, in deren Mittelpunkt
eine Steinsäule mit einem Kreuz steht.
»Das ist
das Gründungskreuz unserer Abtei, hier versammeln wir uns einmal im Jahr, um unseren
Gründungstag zu begehen«, erklärt Schwester Damaris. Die Sonne bricht hinter den
Wolken hervor, und die Strahlen spannen einen Regenbogen über den Himmel. Sie betreten
einen langen Rundgang mit buntverglasten Bogenfenstern, die ein verwunschenes Farbenspiel
auf die Steinplatten des Bodens flimmern.
»Wie kommt
eine Dänin in ein deutsches Kloster?«, fragt Swensen.
»Weil mich
das Leben der Hildegard von Bingen schon als junges Mädchen fasziniert hat«, antwortet
Schwester Damaris. »Wer betet, der schaut auf Gott, und Gott schaut auf dich, hat
sie gesagt. Dieser Satz gilt immer und überall.«
»Dann hätte
er doch auch in Dänemark gegolten?«
»Das ist
richtig, aber ich wollte in das Land gehen, durch das ich in Versuchung geführt
wurde.«
»Deutschland
hat Sie in Versuchung geführt?«
»Ja, ich
habe mich verführen lassen und Schuld auf mich geladen.«
»Hat diese
Schuld etwas mit Aase Stræde zu tun?«
»Sie wissen
davon?« Schwester Damaris senkt den
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