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Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)

Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)

Titel: Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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Erdenmenschen, nicht einmal
ein Tag für die Ewigkeit. Für Hertha Dullweber haben die vielen Tage dieses Lebens
ein Ende gefunden und der neue, ewige Tag ist angebrochen. Uns bleibt der Glaube
an Jesus Christus und unseren Gottvater, der Hertha Dullweber die Hand reicht und
der sie jetzt in die ewige Welt geleitet. Darum lassen Sie und ich uns das Lied
von den guten Mächten singen, das uns der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer
hinterlassen hat, der, von den Nazis ermordet, auch ohne Begleitung in sein Grab
gelegt wurde.«
    Maria Teske
greift zum Gesangsbuch, sucht nervös nach der Liednummer 65, während bereits die
Orgelmusik ertönt und der Pastor mit führender Stimme die Melodie anstimmt. Der
Gesang der Journalistin bleibt dagegen zaghaft.
     
    Von guten
Mächten wunderbar geborgen
    erwarten
wir getrost, was kommen mag.
    Gott ist
bei uns am Abend und am Morgen
    und ganz
gewiss an jedem neuen Tag.
     
    Ihre Gedanken stolpern über die
Orgeltöne und bringen sie zu der lebendigen Hertha Dullweber. Sie sitzt ihr am Küchentisch
gegenüber. Die Journalistin ist beruflich zu der alten Frau gekommen, hat sie ausfindig
gemacht, als ihr bei der Recherche beiläufig der Name Dullweber unter den Gemeinderatsmitgliedern
der Kirchspielgemeinde Mildstedt auffiel. Sie soll eine Reportage über die Dörfer
Rödemis, Nord- und Osterhusum, die 1934 in das Husumer Stadtgebiet eingemeindet
wurden, für die Husumer Rundschau machen. Ludwig Dullweber war noch im Krieg verstorben,
war aber mit einer gewissen Hertha Dullweber verheiratet gewesen. Mit Mühe hatte
Maria Teske herausbekommen, dass diese Frau noch lebte.
    »Die Dörfer
gehörten zum Amt Mildstedt, Kindchen, wo mein Ludwig im Gemeinderat war«, erzählt
Hertha Dullweber munter drauflos. »Ein richtiges Tohuwabohu war das damals, kann
ich dir sagen. Die Nordhusumer wollten unbedingt eingemeindet werden, die Leute
in Rödemis und Osterhusum waren dagegen, wollten ihre Selbstverwaltungsrechte behalten.
Aber Hermann Hansen, der NSDAP-Kreisleiter wollte Ordnung in der Region, hat dem
Landrat richtig Druck gemacht. Die Partei wollte Militär in Husum stationieren,
eine Garnison aufbauen, die brauchten unbedingt Platz für die ganzen Soldaten. Aber
diese Gründe haben sie der Bevölkerung verschwiegen. Das geschieht nur aus Gründen
des öffentlichen Wohls, hieß es offiziell. Ende März 1938 gab’s ’ne große Feier,
nach der Umgemeindung, mit Fahneneinmarsch der Hitler-Jugend, mit Gesang und Sprechchören
und Reden natürlich, vom Ortsgruppenleiter, dem Kreisleiter und dem Husumer Bürgermeister.«
    »Wie alt
waren Sie denn da, Frau Dullweber?«
    »1938? Jaaaa,
Kindchen, da war ich 24 Jahre … damals, und erst drei Jahre verheiratet. Meine Mutter,
besonders aber mein Vater waren strikt dagegen gewesen, dass ich meinen Ludwig heirate.
Du heiratest standesgemäß, du heiratest einen Offizier, hat mein Vater befohlen,
wie sich das in unserer Familie gehört. Diesen Mann schlägst du dir sofort aus dem
Kopf, hat er geschimpft. Richtig wütend ist er geworden! Ich werfe dich eigenhändig
aus dem Haus! So hat man damals mit den Töchtern gesprochen, Kindchen. Mein Vater
war ein streng Nationaler, Leutnant im Ersten Weltkrieg, war beim Sturm auf Monte
Matajur mit dabei, an der Seite von diesem Rommel.«
    »Ihr Vater
wollte die Heirat verbieten, weil Ihr Mann kein Offizier war?«
    »Erst ein
Offizier ist ein richtiger Mensch, war seine Ansicht. Er gab mir das Buch ›Infanterie
greift an‹ von Oberstleutnant Rommel. Dieser Mann ist ein deutscher Held, ein Vorbild.
Und du kommst mit einem Krüppel daher – noch dazu ein Sozi!«
    »War ihr
Mann denn behindert, Frau Dullweber?«
    »Aber nein,
Kindchen! Der Ludwig hatte ein verkürztes Bein. Das war kaum zu sehen, nur wenn
man genau hingeschaut hat. Mein Ludwig hat das immer mit Humor genommen. Heutzutage
bin ich damit doch in guter Gesellschaft, hat er immer rumgealbert, selbst der Goebbels
hat einen Klumpfuß. Aber nein, das stimmt ja gar nicht, der Goebbels hat ja gar
keinen Klumpfuß, das ist ja nur eine Batterie für sein großes Maul.«
    Hertha Dullweber
kichert in sich hinein, und Maria Teske hakt nach: »Und wegen des zu kurzen Beins
war Ihr Vater wirklich gegen die Heirat?«
    »Das waren
andere Zeiten damals! Überleg dir genau, was du da vorhast, Kind, hat er mir gedroht.
Du kannst diesen Kerl nämlich erst heiraten, wenn er sterilisiert ist. Das ist Reichsgesetz!
Unsere völkische Gemeinschaft muss sich

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