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Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)

Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)

Titel: Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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Die
Frau wartet geduldig, bis er abgeklungen ist, bevor sie, einen Spickzettel in der
Hand haltend, ihre singende Stimme erhebt:
     
    »Der Tanz«,
von Christian Friedrich Hebbel
     
    Die Kerzen
verlieren den hellen Glanz,
    Ein Mägdlein
schwingt sich im raschen Tanz,
    Sie ist
nur allein noch im Freudensaal,
    Die Gäste
entfernten sich allzumal.
     
    »Hör’ auf,
hör’ auf, lieb Töchterlein!«
    »Ach lasse
mich, lasse mich, Mutter mein,
    Und wäre
der Teufel hier selbst zur Statt,
    Er tanzte
mich nimmermehr müde und matt.«
     
    Und als
sie das Wort nur gesprochen hat,
    Im schwarzen
Gewande ein Jüngling sich naht;
    Er sieht
so kalt, so gespenstisch darein,
    Gleichwie
in der Nacht des Mondes Schein.
     
    »Kannst
du so tanzen, so tanze mit mir.«
    »Wohl, spricht
die Jungfrau, ich tanze mit dir!«
    Doch wird’s
ihr im Busen so angst und so weh,
    Als ob sie
am Eingang des Grabes steh!
     
    Sie schwingen
sich wild im Saale herum,
    Der fremde
Jüngling ist still und stumm –
    Von Menschenschmerz
und Menschenlust
    War wohl
nimmer ein Funke in seiner Brust.
    Die Mutter
tritt wieder zur Tür herein:
    »Nun hörst
du mir auf, o Tochter mein!«
    »Ach Mutter,
ich kann nicht, ach Mutter, leb’ wohl!«
    Das keucht
die Jungfrau dumpf und hohl.
     
    Da springt
aus dem Mund ihr Blut so rot,
    Und sie
sinkt zur Erde, ist bleich und tot.
    Der Jüngling
verschwindet in Nebel und Nacht.
     
    Verhöhnet
nimmer der Geister Macht!«
     
    Ein kurzer Beifall und Frau Meinerts
Wangen beginnen rötlich zu schimmern. Oleander steht mit einem Glas Rotwein etwas
abseits an einem Fenster und blickt auf die Fackeln im Hof. Der schwarze Himmel
darüber wird von einem grellen Zackenstrich in zwei Hälften zerteilt. Ein dumpfes
Donnergrollen folgt, das zeitversetzt in nächster Nähe über den Himmel vibriert
und ein wenig das Glas erzittern lässt. In seinem Rücken hört Oleander, wie der
Großvater mit seiner markigen Stimme versucht, das Donnerwetter zu überbieten.
    »Ein herzliches
Dankschön unserer lieben Frau Meinert vom Heimatbund! Es ist eine Freude, Ihnen
zuzuhören! Und jetzt amüsieren Sie sich bitte, lassen Sie es sich schmecken und
genießen Sie den Abend.«
    Die ersten
Regentropfen schlagen hart an die Scheiben, rollen im Feuerschein wie Blutschnüre
in einem Nebelmantel am Glas hinab, um letztendlich zu einem roten Sturzbach zu
werden.
    Oleander
schließt die Augen, sieht hinter den Lidern eine riesige Wellenwand heranrollen.
Sieht, wie diese in einem Schaumregen an einem Felsen explodiert. Es folgt eine
Woge aus Angst und Dunkelheit, die über sein Herz flutet. Freja sitzt ihm am Tisch
eines Restaurants gegenüber. Sie blicken sich an, ihr Gespräch in der Ewigkeit ist
verstummt. Im Nebel des Zigarettenrauchs formt sich ein Schatten, wird zu einer
realen Gestalt, bekannt und fremd zugleich. Kilian, der dämonische Freund, zeigt
die Perlenschnur seiner blanken Zähne, nimmt Freja ihr Glas aus der Hand, beugt
sich damit provozierend zu Oleander herunter und fragt leise: »Hast du die Schrift
gesehen, Steppenwolf, die Schrift am Magischen Theater?«
    »Du redest
Unsinn, Kilian!«
    »Wie kannst
du das sagen, Ole! Du musst sie dir ansehen. Los, geh auf den Flur, sie sagt etwas
über unsere Freundschaft!«
    Zu Tode
erschrocken springt Oleander vom Tisch auf, ohne einen Blick für Freja, stürzt auf
den Korridor hinaus und findet eine vergoldete Toilettentür mit einem Spiegel. Er
sieht hinein, sieht sein verzerrtes Gesicht, seine weit aufgerissenen Augen hinter
den unwirklichen Buchstaben, die rot und durchsichtig im Raum der Spiegelung schweben,
sich zu einem Satz zusammenfügen, der ihn bis ins Mark erschüttert.
     
    Wie man
durch Liebe
    seinen Freund
tötet
     
    »Oleander!«, eine vertraute Stimme
reißt ihn aus seinen Bildern. »Manchmal könnte man glauben, du gehst deinen Eltern
ganz bewusst aus dem Weg!«
    »Mutter!«,
sagt er beiläufig, ohne sich umzudrehen. »Ich bin alt genug, um mich nicht vor dir
verstecken zu müssen.«
    Flötistin,
Geigerin und Klavierspieler sind von den Haydn-sonaten auf den weltlichen Bach umgestiegen,
spielen mit einer eigenwilligen Interpretation der Bauern-Kantate »Mer hahn en neue
Oberkeet« zum Tanz auf. Auf dem rustikalen Holzboden des Schlosssaals trommeln die
Schuhe, drehen sich die bunten Stoffe mit Anzug, Smoking und Uniform.
    »Warum hast
du vorher nicht kurz bei uns vorbeigeschaut? Mit siebzehn bist du von Zuhause abgehauen,
hast Geld von meinem Konto …«
    »Du hast
es

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