Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)
zurückbekommen, Mutter! Warum kannst du nicht damit aufhören! Ich lebe außerhalb
deiner Kontrolle. Warum hast du Kilian auf dieses Fest eingeladen?«
»Ich denke,
er ist dein Freund?«
»Du konntest
ihn früher nicht ausstehen, warum der Sinneswandel?«
»Ich dachte,
er könnte dich zur Vernunft bringen.«
»Du dachtest
auch, ich bin dein bestes Pferd im Stall! Aber ich habe keine Lust, für dich ins
Rennen zu gehen, klar.«
»Oleander,
Junge, lass uns nicht streiten, nicht hier! Wie wäre es, wenn du deinem Vater ›Hallo‹
sagst.«
»You say hello, and I say goodbye!« Oleander trällert spöttisch
den Song und schlägt demonstrativ die Hacken zusammen. »Melde gehorsam, ich hab
keinen Bock auf seine Uniform. Es ist besser, ich verschwinde, bevor der Haussegen
hier noch schief zu hängen beginnt.«
Oleander
eilt in Richtung Treppenturm davon, während die harte Stimme seiner Mutter sich
in seinen Nacken krallt.
»Bleib hier!
Oleander! Das kannst du nicht machen!«
Kühle Luft
empfängt Oleander in der Eingangstür. Der Regen hat aufgehört. Das Unwetter hat
einen durchnässten schwarzbraunen Teppich hinterlassen. Alle Fackeln sind erloschen,
ihre feuchten Stümpfe schimmern im Licht der Fenster. In der Ferne treibt das abziehende
Gewitter sein Donnergrollen wie galoppierende Pferde vor sich her. Der Mond tränkt
die Erde mit seinem Schein, und aus dem Schloss schwebt leise Musik durch die klare
Nacht.
Oleander
sucht sich einen Weg an den parkenden Autos entlang, springt über spiegelnde Pfützen,
erreicht die Straße und hält nach seinem Wagen Ausschau, der irgendwo zwischen der
Blechfront auf dem Grünstreifen stehen muss. Es ist windstill, um ihn herum herrscht
plötzlich Totenstille, selbst der Trubel aus dem Schloss ist hier nicht mehr zu
hören. In nächster Nähe springt ein Automotor an, erwürgt den kurzen friedlichen
Moment. Oleander hört das Rauschen von Reifen, die auf dem nassen Asphalt langsam
näher kommen. Er entdeckt seinen Wagen in zehn Meter Entfernung, bleibt stehen und
versucht, den Schlüssel aus der Jackentasche zu fischen. Das langsam heranfahrende
Auto stoppt in seinem Rücken. Er hört, wie ein Seitenfenster heruntergelassen wird.
Seine Nackenhaare richten sich auf, er verspürt den Impuls sich hinzuwerfen. Im
gleichen Moment gibt es ein kurzes, dumpfes Schlaggeräusch. Er starrt auf den dünnen
Metallstab, auf die zwei Widerhaken an der Spitze, die plötzlich aus seiner Brust
ragen. Ein brennendheißer Schmerz rast durch seinen Körper. Seine Sinne schwinden,
die Beine werden weich, er kann sein Gewicht nicht mehr halten. Er sackt durch den
Boden, der ihn ein Leben lang getragen hat, hindurch in ein bodenloses Meer. Von
schräg links treibt ein mächtiger Swell heran. Ein Berg erhebt sich, sprudelnd und
spritzend, dehnt die Wasserhaut zu einem Gebirgszug in die Höhe. Die Welle atmet
ihre Wassermassen zu einer hässlichen Fratze auf, dröhnt und donnert und schleudert
übersättigt ihr Inneres nach außen. Tonnenschwere Hände packen seinen Körper, schleudern
ihn durch die Luft und werfen ihn in einen milchigen Gischtnebel. Er versinkt in
einem Blizzard aus Blasen, schwebt langsam hinab in ein schwarzes All, tiefer und
immer tiefer, vorbei an monströsen Fischgeistern, die ihn stumm wie bucklige Planeten
umkreisen, ihre bizarren Kiefer aufsperren, schnappende Mäuler, Supernovae gleich,
Schwarze Löcher, angefüllt mit spitzen Zähnen. Monsterleiber, denen Laternen aus
dem Kopf wachsen und Drachenköpfe mit grellen Leuchtorganen an den Augenrändern
leuchten ihn hinab bis auf den Grund. Luciferine Lichtquanten greifen mit ihren
durchsichtigen Tentakeln nach seinem schwach pulsierenden Herzen, wippen im Rhythmus
seines Atems …
Dänemark 1943
»Als künftiger Regierungschef ist
Ihr Name ganz oben auf der Liste«, verkündet Joachim von Ribbentrop mit einem kurzen
Zögern in seiner Stimme. Sein ovales Gesicht mit dem markanten Kinngrübchen wirkt
müde. »In Berlin haben wir uns Gedanken gemacht, wie eine künftige dänische Regierung
personell aussehen kann, Herr Scavenius. Um eine verbesserte Zusammenarbeit mit
dem Deutschen Reich zu ermöglichen, wäre es gut, wenn Thune Jacobsen das Justiz-
gegen das Innenressort tauscht. Der altgediente Johannes Kjærbøl, Arbeit und Soziales,
bekommt zwei weitere Gewerkschaftler mit ins Kabinett, nämlich Laurits Hansen für
die Finanzen und Axel Olsen als Sozialminister. Für die Verteidigung würden wir
es begrüßen, wenn
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