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Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)

Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)

Titel: Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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Sicht. Langsam fahrend
gab er nach rechts und links den Absperrmannschaften noch einen kleinen Wink. Bald
nach ihm tauchte der graue Wagen des Obergruppenführers der SS Dietrich auf. Die
Spannung der Wartenden stand auf dem Höhepunkt. Der Führer kam. Eine lange Autokolonne
rollte in gemäßigtem Tempo den Friedrichsberg herunter. Durch das Grün der Bäume
des Osterendes blitzte silbern das helle Metall der Kraftwagen. Gebannt blickten
alle Augen auf die Wagenreihe und suchten das Gesicht des Führers. Leicht zurückgelehnt
in seinem Wagen saß Adolf Hitler und erwiderte mit ernstem Gesicht den Gruß der
Menge. Der Heilruf pflanzte sich fort. Am Markt erklangen die Trommeln. Langsam
und doch zu schnell für die Harrenden fuhr der Führerwagen vorbei.
     
    Die Melodie ihres Handys beendet
den Führeraufmarsch. Maria Teske wendet sich vom Bildschirm ab, lehnt ihren Rücken
an die Stuhllehne und nimmt das Gerät ans Ohr. Sie sagt ihren Namen, sieht durch
das Fenster in den Schlosspark. Der Sandweg hinter den Bäumen wäre ihr vor zwei
Jahren beinahe zum Verhängnis geworden. Eine Frau geht darauf mit ihrem Hund Gassi.
Das Wetter ist schön, die Sonnenstrahlen durchleuchten die Blätter und zeigen die
netzartigen Adern.
    Misstraue
der Idylle!
    »Bigdowski!«
Die ewig gehetzte Stimme des Chefredakteurs springt aus dem Hörer. »Wo steckst du?«
    »Im Kreisarchiv!«
    »Ach ja,
gut! Aber den geplanten Artikel über die Pogromnacht in Friedrichstadt legen wir
erstmal auf Eis. In Hoyerswort ist in der letzten Nacht ein Mord geschehen. Der
Enkel von dem Gutshausbesitzer Kreuzhausen ist umgebracht worden, nach dem Verlassen
der Feier zum 85sten Geburtstag seines Großvaters.«
    »Du hast
mir versprochen, dass ich von Mordfällen verschont bleibe. Lass es jemand anderen
machen, Theodor!«
    »Maria,
Maria! Ich hab einfach niemanden, der es machen kann. Dazu ist der alte Kreuzhausen
eine zu bekannte Persönlichkeit auf Eiderstedt, das braucht Fingerspitzengefühl.«
    »Ich kenne
keinen Kreuzhausen.«
    »Die Kreuzhausen
sind eine berühmte Offiziersfamilie. Ich hab noch mit dem Senior ein Interview geführt,
kurz bevor der gestorben ist. Hat unter Rommel am Monte Matajur gekämpft.«
    »Monte Matajur?
Rommels Spähtrupp, der die italienischen Stellungen überrannt hat?«
    »Du kennst
diese Kriegslist? Maria, ich bin beeindruckt!«
    »Und der
Vater vom alten Kreuzhausen war damals mit dabei?«
    »Genau,
aber das spielt für uns jetzt keine Rolle! Wir brauchen den Alten, um an den Mordfall
seines Enkels heranzukommen. Das wird nicht leicht, Maria. Der Name hat Tradition.
Der alte Kreuzhausen war Wehrmachtsoffizier, hat nach der Wiederbewaffnung in den
50ern eine blitzsaubere Karriere bei der Bundeswehr hingelegt. Du siehst, der Mordfall
wird in bestimmten Kreisen für Aufsehen sorgen. Um zwei Uhr ist eine Pressekonferenz
im Rathaus mit der Husumer Kripo. Das hat eindeutig Priorität, Maria. Geh hin und
komm mit einer Story zurück. Du weißt schon, schön viel Tragik und das ganze Programm
drumrum. Ich zähl auf dich, Moin, Moin!«
    Maria Teske
legt das Handy unsanft auf den Tisch und schaut auf die Armbanduhr, 11.53 Uhr.
    Auf Eis
legen, denkt die Journalistin essigsauer, die Pogromnacht auf Eis legen. Das klingt
wie Realsatire.
    Sie fährt
den Film im Lesegerät vorsichtig auf der Spule zurück. Das schleifende Geräusch
lässt ihre Gedanken abdriften. Ein Artikel, den sie vor kurzem im Landesarchiv gelesen
hat, lässt einen inneren Film vor ihrem Auge entstehen. In ihrer Phantasie sieht
sie irreale Menschen, die einmal sehr real waren, mörderisch real.
    Es ist der 10. November 1938. Am
Morgen um fünf Uhr treffen Husumer SA-Männer auf einem schweren Pionier-LKW in Friedrichstadt
ein. Sie stürmen die Synagoge Ecke Westermarkstraße/Am Binnenhafen und lösen mit
einer Handgranate eine Explosion aus. Anschließend wird im Gestühl des Betsaales
ein Feuer gelegt. Der Friedrichstädter NS-Bürgermeister Albin Rühling lässt den
Brand löschen, damit anliegende Gebäude nicht gefährdet werden. Mit Spitzhacken
und Spaten zieht die Horde weiter zum Ladengeschäft des Schlachters Julius Wolff.
Einer brüllt »Aufmachen!«, dann ist bereits die Tür eingeschlagen. Marodierend führt
der Weg der SA-Meute zum Tabakladen von Heymann in der Prinzenstraße 24. Er wird
von den Männern vollständig verwüstet. Die Schaufensterscheiben des Produktenhändlers
Leopold Meyer gehen in 1.000 Scherben. In der Textil- und Bettenhandlung von

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