Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)

Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)

Titel: Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
Vom Netzwerk:
Gesundheitsprogramms
ist auch seine alte Übellaunigkeit zurückgekehrt. Daher herrscht bereits gedrückte
Stimmung, noch bevor alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Halbkreis um den Schreibtisch
des Chefs Platz genommen haben. Maria Teske hat ihre Anwesenheit bis zum letzten
Moment hinausgezögert. Sie ahnt nichts Gutes, bekommt die Wucht seiner Erwartungen
als Erste zu spüren.
    »Der Mordfall
Hoyerswort«, eröffnet Think Big selbstgefällig die alltägliche Themenparade. »Wie
geht die Story weiter? Wann darf ich mit dem nächsten Artikel rechnen, Maria? Ich
hoffe, er ist nicht schon tot wie unser Ermordeter. Kleiner Scherz!«
    Think Big
lehnt sich lässig in seinem Drehstuhl zurück und lässt seinen Blick missmutig über
die Runde schweifen.
    »Du hast
es mal wieder auf den Punkt gebracht, Theodor!«, verkündet die Journalistin und
nimmt der Attacke den Wind aus den Segeln. »Es gibt momentan nichts, worüber sich
zu schreiben lohnt. Keine Neuigkeiten von der Husumer Kripo, und sonst läuft auch
nichts. Die Eltern des Ermordeten geben kein Interview. Der Großvater Heinrich Kreuzhausen
hat mich von seinem Grundstück jagen lassen. Er will mit der Schweinepresse nichts
zu tun haben, hat er ausrichten lassen.«
    »Kein Grund
für eine gute Journalistin, sich nicht eine Story zurechtzubasteln«, knurrt Bigdowski.
»Ein Mord auf einem Schloss! In so einem Ambiente ist die Dramatik vorprogrammiert.
Ich erwarte einen Vorschlag, verstanden?«
    »Ich hätte
da was … nicht unproblematisch … aber du … du hast mir selbst erzählt, du hättest
den Senior vom alten Kreuzhausen interviewt. Ich denke, die Familiengeschichte Kreuzhausen
bietet genügend Stoff für eine Story. Sie sind angesehene Persönlichkeiten in dieser
Region. Wie wäre es mit einer Art Homestory. Das hält unsere Leser solange bei der
Stange, bis es wieder nennenswerte Neuigkeiten in unserem Mordfall gibt.«
    »Und wie
willst du das hinkriegen, wenn keiner mit dir reden will?«
    »Ich trage
alles zusammen, was ich in den Archiven über die Kreuzhausens finde. Ich kann ja
auf dein Interview zurückgreifen, und da wird es doch noch mehr geben, oder?«
    »Einen Versuch
ist das wert«, sagt Bigdowski leise, als würde er mit sich selbst sprechen. Und
während seine Mimik sich aufhellt, schiebt er ein »Überzeugt!« hinterher. »Mach
das, Maria, und halt dich ran, Hoyerswort ist das aktuellste Thema, das wir zurzeit
haben.«
    Die Journalistin
ist einen Moment richtiggehend perplex. Dass ihre vagen Andeutungen auf solche Zustimmung
stoßen würden, damit hat sie nicht gerechnet. Sie fühlt sich, als wenn der alte
Fuchs sie durchschaut hat und weiß, dass sie in ihrer eigenen Familiengeschichte
recherchiert hat und über die Kreuzhausens bereits bestens informiert ist. Während
die Themenkonferenz im Hintergrund weiterbrabbelt, hat Maria Teske sich gedanklich
ausgeklinkt, sitzt weit entfernt im Lesesaal des Landesarchivs Schleswig-Holstein,
blättert sich durch alte Bücher und stutzt, als ihr das Reichsgesetzblatt zur Verhütung
erbkranken Nachwuchses aus dem Jahre 1933 ins Auge springt:
     
    Die Reichsregierung
hat das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:
    § 1
    (1) Wer erbkrank
ist, kann durch chirurgischen Eingriff unfruchtbar gemacht (sterilisiert) werden,
wenn nach den Erfahrungen der ärztlichen Wissenschaft mit großer Wahrscheinlichkeit
zu erwarten ist, daß seine Nachkommen an schweren körperlichen oder geistigen Erbschäden
leiden werden.
    (2) Erbkrank im Sinne
dieses Gesetzes ist, wer an einer der folgenden Krankheiten leidet: angeborenem
Schwachsinn, Schizophrenie, zirkulärem (manisch-depressivem) Irresein, erblicher
Fallsucht, erblichem Veitstanz (Huntington’sche Chorea), erblicher Blindheit, erblicher
Taubheit, schwerer erblicher körperlicher Missbildung.
    (3) Ferner kann unfruchtbar
gemacht werden, wer an schwerem Alkoholismus leidet.
     
    § 18
    Dieses Gesetz tritt
am 1. Januar 1934 in Kraft.
    (2) Berlin, den 14.
Juli 1933
     Der Reichskanzler
Adolf Hitler
     Der Reichsminister
des Innern Frick
     Der Reichsminister
der Justiz Dr. Gürtner
     
    Der Klumpfuß von Ludwig Dullweber
hat sie bis ins Landesarchiv gebracht, sie will alles über die Kastrationspraktiken
des NS-Staates wissen. Dieser Wunsch war sofort nach dem Gespräch mit ihrer Mutter
geweckt worden, noch bevor sie den Nachlass ihrer Großtante durchgesehen hatte,
all die verstaubten Kartons in Hertha Dullwebers Wohnung. Dass sie darin das

Weitere Kostenlose Bücher