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Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Titel: Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nink
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wäre eine Tankuhr hier draußen nicht vielleicht praktischer? Es gibt doch bestimmt nicht so viele Tankstellen in der Steppe …«
    Uchka der Fahrer sah ihn an. »Ein Mann muss wissen, wo seine Grenzen liegen«, sagte er. Offensichtlich war das eine alte mongolische Weisheit. Siebeneisen beschloss, sich das zu merken. Es würde bestimmt demnächst eine Gelegenheit geben, bei der er das verwenden könnte. Bei einem Gespräch mit Wipperfürth zum Beispiel.
    In den kommenden Stunden fuhren sie ohne Pause, immer weiter, immer geradeaus, immer Richtung Horizont. Sie fuhren über Hügel voller Erdhörnchenlöcher und durch Flussbette und vorbei an Jurten, neben denen gewaltige Satellitenschüsseln und Solaranlagen standen. Und Pferde. Und Kamele. Manchmal kam ihnen ein Fahrzeug entgegen, manchmal wurden sie überholt, jedes Mal verschluckte sie anschließend eine gewaltige Staub- und Sandwolke. Sie fuhren nicht auf Straßen und auch nicht auf Pisten, sie fuhren in Reifenspuren, die andere Jeeps in die Steppe gedrückt hatten. Hin und wieder kreuzten sich vier oder fünf dieser Spuren und teilten sich hundert Meter später wieder. Dann nahm Uchka der Fahrer die dritte von links oder die zweite von rechts, ohne auch nur einen einzigen Moment zu zögern. Als Siebeneisen ihn darauf ansprach, schaute er, als habe er die Frage nicht verstanden. Ein Mann müsse immer den richtigen Weg einschlagen, sagte er, wahrscheinlich eine weitere mongolische Weisheit. Die japanischen Geländewagen hätten alle GPS , aber GPS könne man nicht selbst reparieren. Als Siebeneisen ihm erzählte, dass solche Navigationssysteme in Deutschland eingesetzt würden, um in Niederkirchenbroisch von der Gärtnergasse in die Bürgermeister-Julich-Straße zu finden, war Uchka der Fahrer irritiert. Die nächste halbe Stunde schaute er mit zusammengekniffenen Augen hinaus in die Steppe. Bis es einen Schlag gab und gleich anschließend einen ziemlichen Krach aus dem Motorraum und sie die nächste Panne hatten.
    Ein in der mongolischen Steppe stehendes Fahrzeug übt verständlicherweise eine gewisse Faszination aus. In der Regel ist es dort ja auf etliche Kilometer Entfernung gut zu sehen, und weil sonst nichts weiter zu tun ist, kann man genauso gut mal vorbeischauen. Wenn man gerade zufälligerweise eine dreihundertköpfige Schafsherde dabeihat, bringt man die eben mit – Platz genug ist ja.
    »Geht weg!« Siebeneisen versuchte, die Tür zu öffnen, was aber nicht funktionierte, weil überall Schafe grasten. Offenbar hatten die Tiere beschlossen, dass es nirgendwo in der Mongolei besseres Fressen gab als auf den Quadratmetern rund um den Jeep. Sie ließen sich nur zur Seite schieben, wenn man sich mit seinem gesamten Gewicht von innen gegen die Tür lehnte.
    Lawn und Siebeneisen waren eingenickt, als Uchka der Fahrer ausgestiegen war, um die Motorhaube zu öffnen und nach der Ursache für den Knall zu forschen. Jetzt saß ihr Chauffeur rauchend mit einem Mann neben dem Jeep, offenbar dem Besitzer der Schafe. Aus dem Radio quengelten leiernde Gesänge wie aus Der Kurier des Zaren , mit dramatischen Bläsern und Paukenschlägen.
    Siebeneisen stieg aus dem Auto, nickte dem Schafshirten zu und erkundigte sich, ob das Auto repariert sei.
    »Natürlich. Uchka der Fahrer hat perfekt repariert.«
    »Prima. Wollen wir dann weiterfahren?«
    »Bald. Wenn das Lied zu Ende ist. Wir wollen zuerst noch zu Ende hören.«
    Siebeneisen hörte genauer hin. Die Chöre klangen wie immer.
    »Von was singen die denn da eigentlich?«
    »Von Pferden«, sagte Uchka der Fahrer. In einem Tonfall, als hätte man sich nach etwaigen Verdauungsproblemen erkundigt.
    »Ah. Und wie heißt das Lied?«
    »Mein Daaga ist ein stolzes Pferd.« Er sah Siebeneisen in die Augen. »Sie wissen, was ein Daaga ist?«
    Siebeneisen wusste es nicht. In den nächsten Minuten versuchten Uchka der Fahrer und der Schafhirte, ihm die mongolischen Bezeichnungen für Jungtiere einzutrichtern.
    »Ein einjähriges Fohlen ist ein Daaga. «
    »Daaga.«
    »Zweijährige Pferde nennt man Shudlen .«
    »Schüttlen.«
    » Shudlen! Mit drei heißen sie Hyazaalan .«
    »Hüazahlahn?«
    »Genau. Und mit vier Soyolon. «
    »Soillion.«
    »Und alles, was fünf Jahre oder älter ist, wird Nas genannt. Wenn es ein Hengst ist, kannst du aber auch zu allen Altersklassen Azraga sagen.«
    »Azraga?«
    »Genau.«
    Siebeneisen freute sich, weil sich Uchka der Fahrer und der Schafhirte so freuten, dass er die Namen offenbar halbwegs

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