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Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Titel: Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nink
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schon dort! Wie aus dem Nichts erscheint er auf seinem Kamel! Wie aus dem Nichts!«
    Ganzorig war nun kurz davor aufzuspringen, so ergriffen war er von seiner eigenen Erzählung. Seine Augen glühten. Seine Hände beschrieben bei jedem Satz hektischere Muster in der Luft. Jetzt beugte er sich erneut über seinen Schreibtisch zu Siebeneisen hinüber und flüsterte:
    »Man sagt, er habe Zauberkräfte!«
    »Ah. Gut. Schön. Das wird meine Begleiterin freuen.«
    »Ihre Begleiterin? Wieso?« Der Chef des »Zentralbüros Wolle und Molkereierzeugnisse« stutzte.
    »Sie ist eine Person mit besonderen Wahrnehmungsfähigkeiten. Und freut sich bestimmt, wenn sie einen Kollegen trifft.«
    Ganzorig überlegte kurz. »So wie die in dem Film mit Dan Akroyd, wo am Ende das Michelin-Männchen durch Manhattan stapft?«
    » Ghostbusters . In der Originalfassung war das der Marshmellow-Mann. Ja, so ungefähr. Allerdings weniger spektakulär.«
    »Sehr gut. Es wird Ihnen gefallen im 20. Bezirk. Am besten brechen Sie morgen früh auf, dann kommen Sie rechtzeitig zum Wochenende an. Selbstverständlich werde ich Ihnen meinen besten Fahrer zur Verfügung stellen! Und mein bestes Fahrzeug! Natürlich! Mein bestes Fahrzeug!« Ganzorig füllte die Gläser, um erneut auf die Gesundheit seines Besuchers anzustoßen und auf eine glückliche Reise. Sie tranken. Der Wodka schmeckte nun nicht mehr ganz so verheerend.
    »Haben Sie heute Abend eigentlich schon etwas vor?«, fragte Ganzorig dann unvermittelt. Siebeneisen verneinte.
    »Dann lade ich Sie und Ihre Begleiterin zu einem Konzert ein! Tamara – er nickte ganz leicht Richtung Tür zum Vorzimmer – und ich wollen dort sowieso hin. Seien Sie unsere Gäste! Es wird Ihnen gefallen, die Künstler kommen aus Ihrer Heimat!«
    »Aus meiner Heimat?«
    »Ja. Bei uns sind sie sehr berühmt. Auch, weil sie den Namen unseres Staatsgründers tragen.« Ganzorig stellte sein Wodkaglas auf den Schreibtisch, spreizte die Beine und streckte den rechten Arm mit geballter Faust nach oben, »Hu! Ha! Hey, Reiter, ho, Reiter, immer weiter!« Er strahlte jetzt noch mehr. »Bis heute Abend, mein Bester, bis heute Abend!«
    Bereits auf dem Weg zur Tür begann Siebeneisen zu überlegen, wie er Lawn erklären sollte, dass sie zu einem Konzert der Gruppe Dschingis Khan eingeladen waren, Grand-Prix-Vierte 1979, mittlerweile wiedervereint, letzte Single »In der Mongolei« – Walburga legte die CD gerne auf, wenn sie Tresen und Tipp-Kick-Tisch von den Erdnusskrümeln befreite. Und dass sie zusammen mit dem Chef des »Zentralbüros Wolle und Molkereierzeugnisse« und seiner liebreizenden Assistentin den Abend verbringen würden. Als er die Tür öffnete und der Schmetterlingsfrau gerade sein gewinnendstes Lächeln schenken wollte, sah er, dass ihr Oberkörper quer über dem Schreibtisch lag. Ihr Schnarchen füllte den Raum wie das Brummen der großen, weiten Welt.

39
    Das beste Fahrzeug sah am Morgen exakt so aus, wie Siebeneisen es sich mit seiner mittlerweile beträchtlichen Erfahrung an »besten Fahrzeugen« vorgestellt hatte: Auf dem Hotelparkplatz hockte ein taubenblaues Vehikel, das den Verdacht aufkommen ließ, eine Gruppe so eifriger wie ahnungsloser Schrauber einer sowjetischen Sowchose hätte einst versucht, etwas Ähnliches wie einen Jeep hinzubekommen. Siebeneisen konnte bereits von der Hoteltür aus sehen, dass die Türen nicht richtig im Rahmen saßen. Und der Auspuff merkwürdig tief hing. Im Dach klaffte ein faustgroßes Loch, das offensichtlich von einem Steinschlag stammte. Er beschloss, irgendwann in einem ruhigen Moment eine reiseinterne Hitliste der »besten Fahrzeuge« zusammenzustellen. Immerhin wirkte der »beste Fahrer« sofort sympathisch, ein drahtiger Mann undefinierbaren Alters, der einen dunkelgrünen Monteuroverall trug. Er lief ihnen entgegen und stellte sich als »Uchka der Fahrer« vor. Dann fuhren sie los. Der Auspuff röhrte. Aus dem Autoradio dröhnten die Donkosaken mit den Stricken um den Hals.
    Irgendwer hat sich einmal die Mühe gemacht und das Verkehrswegenetz der Mongolei vermessen. Demnach existieren in dem zentralasiatischen Land erstaunliche 36 000 Kilometer Straße. Leider sagt diese Zahl nichts über den Zustand aus. Im Zentrum der Hauptstadt ist alles mehr oder weniger asphaltiert, auch wenn man vergessen hat, vor dem Teeren zumindest die gröbsten Höhenunterschiede auszugleichen. Bereits in den Vororten allerdings sind immer wieder einzelne Abschnitte mit Sand bedeckt, und

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