Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)
hat wohl jemand seine Meinung geändert«, sagte O’Shady, als der Schamane sich nun vor Lawn verbeugte und sie sanft am Arm berührte. Dann drehte er sich zu O’Shady und sagte etwas auf Mongolisch.
»Er glaubt, dass Sie eine Frau mit besonderen Wahrnehmungsfähigkeiten sind.«
Lawn lächelte dem Schamanen zu. »Da liegt er sogar richtig. Ich beschäftige mich beruflich mit paranormalen Aktivitäten. Mit Erscheinungen. Sie würden wahrscheinlich Geister dazu sagen.«
O’Shady runzelte die Stirn und übersetzte. Beide Schamanen schauten erfreut und riefen etwas. O’Shady übersetzte erneut:
»So wie die in dem Film mit Dan Akroyd, wo am Ende das Michelin-Männchen durch Manhattan stapft?«
» Ghostbusters . In der Originalfassung war das der Marshmellow-Mann.«
Die Schamanen begannen, erregt aufeinander einzureden. Die Stimmen wurden lauter, der Ton schärfer. O’Shady sah zu Siebeneisen.
»Sie streiten sich. Angeblich bin ich im Vergleich zu Ihrer Frau nur ein sehr schwacher Glücksbringer. Mein Schamane will als Ausgleich jetzt auch noch Sie dazu bekommen. Was der andere natürlich ablehnt.«
Herr im Himmel, dachte Siebeneisen, als ob das einen Unterschied machen würde. Und das alles wegen eines Wettkampfes! Er sah hinüber zu den beiden Sippen, die sich mittlerweile friedlich gegenüberstanden und gespannt zu ihnen hinaufsahen. Die streitenden Schamanen dagegen hatten eine Lautstärke erreicht, die nicht mehr nach Unterhaltung oder lebhafter Diskussion klang – eher wie jene Geräuschkulisse, die den Bewohnern von Samarkand, Isfahan und Krakau einst nachts das Blut in den Adern gefrieren ließ, wenn sie mongolische Reiter vor den Stadtmauern hörten. Aber dann war der Streit so schnell vorüber, wie er begonnen hatte, und die Schamanen bestätigten ihre Einigung mit energischen, einsilbigen Zustimmungsrufen. O’Shady übersetzte:
»Also, Folgendes: Zwei Glücksbringer will die andere Sippe nicht durchgehen lassen. Es bleibt also bei mir als Talisman. Die beiden haben aber vereinbart, dass zum Ausgleich Sie beim Team der Barlas mitmachen sollen. Also als Teilnehmer.«
»Was?« Siebeneisen glaubte, nicht richtig gehört zu haben. »Als Teilnehmer? Ich? Was soll ich denn da machen?«
»Ist nicht schwierig. Zuerst gibt es Bogenschießen. Aus dem Stand, auf Zielscheiben.«
»Aha. Und dann?«
»Und dann folgt ein kleines Pferderennen.«
»Ein kleines Pferderennen? Ich kann überhaupt nicht reiten!«
»Das macht nichts. Selbst wenn Sie Europameister wären, würden Sie gegen die Mongolen Letzter. Machen Sie einfach mit. Die werden Ihnen das nie vergessen.«
»Und wenn ich vom Pferd falle? Und mich verletze?«
»Das werden Sie nicht.«
»Das werde ich nicht? Und wie wollen Sie das sicherstellen?«
»Wir werden Sie festbinden. Kommen Sie, wir gehen zu den Familien.«
O’Shady begann, den Hügel hinunterzulaufen. Die Schamanen hinter ihnen riefen ihren Sippen etwas zu, und die Menschen in den zwei Gruppen brachen zuerst in Jubel aus und fuhren anschließend fort, sich gegenseitig zu beschimpfen. Lawn legte ihren Arm um Siebeneisen und zog ihn mit sich. Als er sie anschaute, glaubte er, für einen kurzen Moment ein schelmisches Lächeln zu sehen. Es huschte über ihre Lippen, von denen die obere ein ganz kleines Stück über die untere ragte.
Der Bogen sah aus, als habe er gestern noch in einem Schaukasten in Ulan Bators Nationalmuseum gelegen. Siebeneisen nahm ihn in die Hand, änderte seinen Griff mehrere Male und betrachtete die Bogensehne, eine gedrehte Schnur aus …
»Aus was ist denn die Sehne?« Er stand zusammen mit O’Shady ein wenig abseits von den anderen. Der Ire ließ ihn keinen Moment aus den Augen. Offensichtlich fühlte er sich verantwortlich und betrachtete sich als Siebeneisens Personal Coach.
»Schafsdarm, denke ich. Hat die größte Spannkraft. Wenn man weiß, wie man mit so einer Waffe umgehen muss, trifft man damit noch auf zweihundert Meter Distanz.«
Und wenn man es nicht weiß, knallt einem die Sehne versehentlich beim Spannen gegen das rechte Auge, und man sieht die Welt die nächsten Wochen sehr einseitig, dachte Siebeneisen. Nun gut, dachte er, es half ja nichts. Er ging zu seinen drei Pfeilen, die wenige Schritte vor ihm im Boden steckten.
Jeder, der schon einmal mit einem Bogen geschossen hat, weiß, dass es dabei vor allem auf die Konzentration ankommt. Und auf die Atmung. Gute Bogenschützen haben fast immer langjährige Meditationserfahrung; sie schaffen
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