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Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Titel: Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nink
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hatten es nicht geschafft, ihre Kiefer um die Waden des kleinen Siebeneisens zu bekommen, stattdessen hatten sie sich knurrend an seinen Hosenbeinen festgebissen. Er wiederum war schreiend aus dem Wartezimmer gelaufen, wobei er einen Dackel am rechten Bein hinter sich hergezogen hatte und den anderen am linken. Die anderen Patienten hatten gelacht. Siebeneisen hatte geheult.
    »Wo ist er denn? Können Sie ihn sehen?«
    »Uchka der Fahrer sieht. Da!« Er nickte etwa in Richtung Mitte der Herde, die aus mehreren tausend Ziegen bestehen musste. Siebeneisen sah nur kleine Hörner, weit aufgerissene Augen und viele, viele schwarze und weiße Haare. Über der Herde lag eine feine Staubwolke, die im Gegenlicht der Sonne von innen zu leuchten schien.
    »Da hinten ist er.« Lawn hatte O’Shady entdeckt. Sie sah auch nicht ständig zu den Hunden hinüber, die immer noch absolut regungslos auf ihren Posten saßen wie die strengen Aufseher eines Gefangenenlagers.
    »Komm!«
    Lawn nahm Siebeneisen bei der Hand und zog ihn am größten der Wächterhunde vorbei in die Herde hinein. Der Hund würdigte sie keines Blickes.
    Und dann sah auch Siebeneisen O’Shady. Mitten in der Herde saß er im Schneidersitz im Staub und hielt eine kleine Ziege im Schoß, die zu schlafen schien. Sie mussten nur noch einige Tiere zur Seite schubsen, um zu ihm zu gelangen.
    »Früher hat man die Wolle von erwachsenen und neugeborenen Ziegen in die gleichen Säcke gestopft. Können Sie sich das vorstellen?« O’Shady fuhr dem Tier mit einem langzackigen Kamm vorsichtig über den Bauch, der sich gleichmäßig auf und ab senkte. Sie schläft tatsächlich, dachte Siebeneisen. Die anderen Ziegen in der Nähe standen reglos um O’Shady herum und betrachteten ihn mit großen Augen. Hin und wieder meckerten sie, aber nur ganz leise, als wollten sie den Wollhändler nicht bei der Arbeit stören.
    »Sehen Sie: Diese äußeren Haare hier – die sind viel länger und dicker.« Pat O’Shady zog sanft an einem Büschel, das er beim Kämmen mit der linken Hand zur Seite gehalten hatte. »Die schützen das Tier vor Regen, Wind, Staub und Sonne. Und das hier ist das Unterfell. Das isoliert.« O’Shady zeigte mit dem Finger auf das dichte Vlies am Bauch der Ziege. Sie schlief noch immer, schnaufte aber nun ganz leise. Wahrscheinlich träumte sie.
    »Und genau das wollen wir, oder?« Pat O’Shady schien zu jenen Menschen zu gehören, die so taten, als hätten sie ihre Erläuterungen über die Spezifika von Kaschmirwolle vor einer Viertelstunde begonnen und seien zwischendrin nur kurz unterbrochen worden.
    »Baby-Kaschmir. Kann man bei jeder Ziege nur ein einziges Mal auskämmen, wenn sie jünger als ein Jahr ist. Wenn man es sorgfältig macht, kommen vielleicht 30 Gramm zusammen. Aber was für 30 Gramm sind das!«
    O’Shady hielt den kleinen Bausch in die Sonne, deren Strahlen sich in den Haarfasern brachen. Es sah ein wenig aus, als halte er einen Kristall ins Licht, nicht eine Handvoll Wolle. Er legte die kleine Ziege sachte auf den Boden, wo sie sofort von den großen Ziegen beschnüffelt und gestupst wurde, bis sie aus ihren Babyziegenträumen aufwachte. Siebeneisen dachte daran, was Ganzorig über O’Shady gesagt hatte: dass der Mann über magische Kräfte verfüge. Der Ire stand nun auf und legte Lawn den Flaum Wolle in die Hand.
    »Für Sie. Ein kleines Souvenir.«
    Lawn nahm die Wolle in die Hand. »Dankeschön. Wie kann denn so ein bisschen Wolle bei minus 30 Grad im Winter warm halten?«
    O’Shady lächelte. »Eigentlich überhaupt nicht. Bei den Ziegen wärmen nicht die Haarfasern, sondern die Luft, die sich zwischen ihnen sammelt. Die wirkt als natürliche Barriere, die die Körperwärme des Tieres zurückhält und die Kälte von außen nicht an den Körper lässt. Je feiner die Fasern, desto mehr Lufträume gibt es, und umso stärker ist der Effekt.«
    Lawn öffnete ihre Handtasche und ließ die Wolle hineinschweben. Siebeneisen sah, dass die Ziegen begonnen hatten, sich um O’Shady zu drängen. So eng, dass er und Lawn mittlerweile beinahe unbedrängt in der Herde standen.
    »Ich bin Pat O’Shady«, sagte Pat O’Shady, »Sie sind Touristen? Schönes Land, oder?«
    Lawn und Siebeneisen stellten sich vor. Und erklärten, dass sie keine Touristen waren.
    »Sie sind wegen mir hier draußen?« O’Shady schaute perplex. »Na, dann kommen Sie mal mit. Suchen wir uns ein ruhiges Plätzchen. Eines ohne Ziegen.«
    In diesem Augenblick drangen von den

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