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Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Titel: Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nink
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geschoben.
    Siebeneisen kam sich sofort vor wie auf dem Dreimeterbrett im Oer-Erkenschwicker Freibad: Unten schien endlos weit entfernt. O’Shady auch, der war jetzt unter dem Pferdebauch beschäftigt, wo er ein Seil vom linkem Fußknöchel des Reiters zu seinem rechten spannte. Siebeneisen sah hinüber zu den anderen Teammitgliedern, die ihre Tiere tänzeln ließen. Einige der Männer lächelten ihm zu oder streckten den Daumen aufmunternd nach oben, das waren wohl die aus seinem Clan. Die anderen ignorierten ihn. Und dann trat ein Mann mit einer Peitsche aus den Zuschauern und baute sich theatralisch vor den Reitern auf. Siebeneisen spürte ein Ziehen an seinen Knöcheln, als O’Shady den Sitz seines Sicherheitsgurtes noch einmal überprüfte. Dann kam der Ire unter dem Pferd hervor, und der Mann mit der Peitsche ließ sie knallen, und unter den Anfeuerungsrufen der Barlas und Gurragtschaas ritten sie los.
    Das heißt: Die anderen ritten los – Siebeneisens Pferd blieb, wo es war. Es bewegte sich keinen Meter. Das Tier schaute den anderen Reitern nach, schnaubte verächtlich und inspizierte in aller Ruhe eines der vielen Erdhörnchenlöcher. Den Lärm, den die Barlas (verzweifelte Anfeuerungsrufe) und die Gurragtschaas (höhnisches Gelächter, Schmähgesänge) hundert Meter von ihm entfernt veranstalteten, ignorierte es komplett. Siebeneisen sah zu, wie sich die Staubwolke vor ihm Richtung Horizont entfernte. Ein eigenartiges Gefühl überkam ihn. Er glaubte zu spüren, wie die Welt zu einem kompletten Stillstand kam und plötzlich schwerelos im All schwebte, wohlbehütet zwischen all den anderen Sternen und Planeten eines Universums in vollkommener Balance. Er fühlte eine warme, wohlige Ruhe, die alles zu durchströmen schien. Als habe jeder und jedes sein Plätzchen gefunden, endlich gefunden, er oben auf dem friedlichsten Pferd der Welt und das Pferd mit allen vier Hufen fest auf den einzig richtigen Quadratmetern mongolischer Steppe.
    »Schlagen Sie ihm die Hacken in die Flanken, verdammt!« O’Shady war neben ihm aufgetaucht. Er bewegte seine angewinkelten Ellenbogen demonstrativ ruckartig nach hinten. Auch die Geräusche waren jetzt leider schlagartig in die soeben noch so balsamische Welt zurückgekehrt. Siebeneisen sah erschrocken, wie der komplette Barlas-Clan schreiend in seine Richtung strömte, die Schrumpelgroßmütterchen vorneweg. Also schlug er dem Pferd die Schuhabsätze in die Rippen. Einmal nur. Ganz kurz. Und nicht wirklich fest.
    Die Metamorphose geschah in Sekundenbruchteilen. Während er entsetzt zu den anstürmenden Barlas hinübersah, schien es, als verändere der massige Körper zwischen Siebeneisens Schenkeln seine Form, als dehnte und streckte sich jede einzelne Zelle, jede Ader, jede Faser eines jeden Muskels. Einen Augenblick später ruhte die Welt nicht mehr länger in sich – einen Augenblick später flog die Welt an Siebeneisen vorbei. Oder besser: Er flog durch die Welt. Hinaus in die Steppe. Im gestreckten Galopp. Hinter der Staubwolke her, die die anderen Reiter aufgewirbelt hatten. Instinktiv duckte sich Siebeneisen und griff mit beiden Händen die Zügel, und weil er glaubte, seinen Halt zu verbessern, wenn er die Beine nur fest genug gegen den Pferdeleib drückte, tat er auch das. Er würde nicht von diesem Gaul fallen, dachte er, auf gar keinen Fall würde er von diesem Gaul fallen.
    Pferde sind kluge Tiere – in der Regel merken sie sehr, sehr schnell, mit wem sie es zu tun haben. Mongolische Pferde bilden da keine Ausnahme, und das unter Siebeneisen wusste seit der ersten Minute ihrer Begegnung, dass es einen absoluten Anfänger auf seinem Rücken transportieren sollte. Weil es klug war, lief es erst einmal weiter, bis sie über drei oder vier Hügel waren und die lärmenden Sippen weit genug hinter sich gelassen hatten. Dann allerdings entschied es sich ziemlich bald, ein interessant aussehendes Erdhörnchenloch zu begutachten. Es blieb abrupt stehen.
    Die Vollbremsung ließ Siebeneisen nach vorne fliegen, und wenn ihn der Strick zwischen seinen Fußknöcheln nicht gehalten hätte, wäre er wohl über den Kopf des Tieres geschleudert worden. So aber schlug er bloß gegen Hals und Mähne, prallte von dort zurück und geriet dabei irgendwie in eine bedrohliche Schieflage ganz hinten auf dem Rücken des Tieres. Und dann konnte auch O’Shadys Sicherheitsgurt nicht mehr verhindern, dass Siebeneisen ganz langsam und wie in Zeitlupe vom Pferd rutschte.
    Der Schmerz schoss

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