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Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Titel: Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nink
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das.
    »Schöner Schuss!« Pat O’Shady klopfte Siebeneisen anerkennend auf die Schulter.
    »Danke. Er hätte allerdings gerne auch zumindest in Richtung des Zieles gehen dürfen.« Siebeneisen zog seinen letzten Pfeil aus dem Boden. Er spürte, wie ihm ein stechender Schmerz aus dem Nackenbereich in die Arme kroch. Als er den Bogen zum dritten Schuss anhob, ahnte er, dass er die kommenden Tage wahrscheinlich noch nicht einmal einen Becher gegorener Stutenmilch zum Mund würde führen können. Beim Spannen zitterten seine Arme völlig unkontrolliert.
    Der Pfeil blieb mitten im Wolfsfell stecken.

42
    Die Barlas rasteten komplett aus. Die Männer ballten die Fäuste in den Himmel und klopften sich gegenseitig auf die Schultern, die Frauen jubelten, mehrere der Schrumpelgroßmütterchen kamen auf Siebeneisen zugelaufen und herzten ihn. Als er sich aus den Umarmungen befreite, sah er zu den Gurragtschaas hinüber, die sich in eine menschliche Wand aus Schweigen verwandelt hatten. Lawn zwinkerte ihm zu. Offensichtlich hatte sie keine Probleme damit, dass ihre Glücksbringerfähigkeiten bei diesem Teil des Wettkampfes nicht ausreichend gewesen waren.
    Doch leider folgte nun der zweite Teil. Siebeneisen sah mit Entsetzen, wie mehrere kleine Jungs die Pferde zu den Teams führten. Keines der Tiere machte auch nur einen halbwegs ruhigen Eindruck auf ihn. Und keines der Tiere trug einen Sattel.
    O’Shady neben ihm runzelte die Stirn. Er klopfte Siebeneisen erneut kurz auf die Schulter und ging zu den Gurragtschaas hinüber, wo er mit dem Schamamen sprach. Dann kam er zurück.
    »Sie bekommen Zaumzeug und einen Sattel. Ohne den schaffen Sie es nicht über den ersten Hügel. Außerdem kann das mit der Zeit sehr schmerzhaft sein, wenn man es noch nie gemacht hat.«
    »Mit der Zeit? Ich dachte, es gibt ein schnelles Wettrennen? Über welche Distanz reiten wir denn?« Siebeneisen hatte vermutet, so ein mongolisches Pferderennen sei eine Sache von ein bis zwei Minuten.
    »Sehen Sie den Berg da hinten?« O’Shady zeigte mit der Hand auf eine Silhouette, die sich in der Ferne im Dunst des Nachmittags abzeichnete, ungefähr an jener Stelle, wo Steppe und Horizont sich berührten. »Am Fuß des Berges warten zwei Männer, einer aus jeder Familie. Das sind die Schiedsrichter. Um die reiten Sie herum, und dann kommen Sie einfach in gerader Linie zurück.«
    »Bitte was? Das sind doch bestimmt drei Kilometer!«
    »Eher fünfzehn. Keine Sorge, Sie kriegen das hin. Sie dürfen nur nicht vom Pferd fallen.«
    Siebeneisen bemerkte, wie er zum soundsovielten Mal auf seiner Odyssee über den Sinn des Daseins zu grübeln begann. Allmählich kam er sich vor wie in einer dieser griechischen Tragödien, bei denen ebenfalls immer alles immer noch schlimmer wurde für den Hauptdarsteller, selbst dann, wenn jeder dachte: Der arme Kerl, jetzt ist mal genug, lasst ihn doch endlich in Ruhe. Worauf natürlich erneut die Hölle über den Mann hereinbrach. Wie bei ihm selbst, dachte er, während zwei Mongolen das größte und ungestümste Pferd für ihn sattelten. Wieso passierte ihm das alles? Was hatte er getan, dass er das verdiente? Es musste etwas in einem anderen, früheren, vergessenen Leben sein, das er angerichtet hatte. Etwas Schreckliches, für das sich die Götter nun rächten, das Schicksal, der Kosmos, alle zusammen, eine andere Begründung konnte es nicht geben für diese surreale Folge an immer neuen Zwischenfällen. Man hatte ihn verprügelt, entführt und mit grenzdebilen australischen Rentnerinnen auf einem Schiff ins Eis geschickt, er war von einem jähzornigen Nashorn gehetzt und beinahe von einem Geier angefressen worden. Und jetzt sollte er auf ein Pferd geschnürt werden, das ihn nach allerspätestens anderthalb Minuten im hohen Bogen in die Steppe werfen würde. Siebeneisen wollte nach Hause. Er wollte nur noch nach Hause.
    »Kommen Sie, ich helfe Ihnen in den Sattel.« O’Shady führte das Pferd am Zügel heran. An seiner Seite wirkte das Tier plötzlich handzahm. Es legte seinen Kopf an die Schulter des Iren und schnaubte leise. O’Shady tätschelte es und zeigte Siebeneisen, wie er den linken Fuß in den Steigbügel stecken sollte. Leider hing der Bügel viel zu hoch über dem Boden, oder vielleicht waren seine Beine auch zu kurz, jedenfalls baumelte Siebeneisen für einen endlos langen Moment merkwürdig schwerelos in der Luft, aber dann hatte O’Shady ihn schon von hinten gestützt und mit einem Ruck hinauf in den Sattel

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