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Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Titel: Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nink
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wie ein Blitz aus seinem Hintern durch den Körper. Siebeneisen wartete darauf, dass als Nächstes sein Hinterkopf auf den Boden knallen würde, stellte dann aber fest, dass er bereits ziemlich stabil in der Steppe saß. Und zwar auf etwas sehr Spitzem. Es tat höllisch weh. Er wollte aufstehen, aber das ging nicht, weil seine Beine ja zusammengebunden waren und der Strick zwischen den Vorder- und Hinterläufen des Pferdes lag. Er versuchte, ihn unter den Hufen hindurchzuziehen. Das Pferd stand wie festgemauert. Es war mit seiner Erdhörnchenlochinspektion fertig und rupfte nun kleine Grasbüschel aus. Siebeneisen zerrte noch einmal, dieses Mal mit ganzer Kraft. Das Pferd unterbrach sein Grasen und schaute nach hinten. Es schnaubte, was sich ein wenig mitleidig anhörte. Dann machte es zwei Schritte nach vorne. Siebeneisen war frei.
    Er wollte aufstehen, aber da kehrte sofort dieser Schmerz zurück: Besser, er blieb erst einmal sitzen. Siebeneisen war ein emsiger Leser der Apothekenzeitschriften, die Walburga auf der Herrentoilette im Fetten Hecht auslegte (wahrscheinlich, um Gäste wie Schatten sehr dezent auf die Gefährlichkeit ihrer Gewichtsklasse aufmerksam zu machen). Kurz vor seiner Abreise nach Australien hatte er dort etwas zum Thema Steißbeinbruch-Prävention gelesen. Er befürchtete, dass er sich genau so einen nun zugezogen hatte. Ausgerechnet das Steißbein! Wo er doch morgen schon wieder endlos im Rumpeljeep von Uchka dem Fahrer sitzen musste, bis zurück nach Ulan Bator! Und anschließend bestimmt wieder genauso endlos auf irgendeinem Holzklassesitz, den Wipperfürth mit Sicherheit für den nächsten Reiseabschnitt buchen würde. War das denn nie vorbei? Siebeneisen wimmerte leise. Mit zusammengebissenen Zähnen hob er die Hälfte seines Hinterns und tastete nach der Stelle, von der aus die Blitze durch seinen Körper zuckten. Seine Finger berührten etwas Metallisches. Erschrocken sprang er auf, wobei das Messer sich aus seinem Hintern löste und auf den Boden fiel. Das war doch nun wirklich nicht zu fassen! Da rutschte er mitten in anderthalb Millionen Quadratkilometer Nichts und Leere vom Pferd und landete genau auf dem einzigen Dolch, der in der kompletten Mongolei besitzerlos herumlag. Die Klinge war korrodiert, blaugrün angelaufen und saß nur noch locker in dem Knauf aus Horn. Das Messer lag hier nicht erst seit gestern, so viel war klar. Siebeneisen bemerkte nun auch, dass er auf einer Art Steinhügel stand. Merkwürdig, dachte er. Die Erhebung sah nicht so aus, als sei sie natürlich entstanden. Was konnte hier einst gebaut worden sein? Er legte das Messer vorsichtig zurück auf die Steine, als fürchtete er, sein Besitzer könne heute Abend zurückkommen und es suchen. Als er sich – die Hand am Hintern und sehr, sehr vorsichtig – gerade wieder aufrichten wollte, fiel sein Blick auf ein weiteres Stück Metall: einen länglichen Anhänger mit Schriftzeichen, an dem der Zahn der Zeit bereits ziemlich erfolgreich herumgenagt hatte. Siebeneisen überlegte kurz. Dann steckte er den Anhänger in die Hosentasche. Wenn diese Reise irgendwann einmal zu Ende gehen sollte, würde er zumindest ein kleines Erinnerungsstück besitzen.
    Es dämmerte bereits, als er zurück ins Lager humpelte. Nicht, dass es wirklich weit gewesen wäre – Siebeneisen hatte bloß eine halbe Ewigkeit versucht, das Pferd in Bewegung zu setzen. Über einen Zeitraum, der ihm wie mehrere Stunden vorgekommen war, hatte das Tier ihn ignoriert, ihn und seine Versuche, mit ihm am Zügel nach Hause zu gehen: das Zerren und Ziehen, das aufmunternde »Hopphopp!«, das Schnalzen mit der Zunge wie in den John-Wayne-Western. Er hatte dem Tier mit der flachen Hand auf die Flanken geklappst und ihm ein alarmierendes »Halten Sie bitte Ihren Hund fest!« ins Ohr geflüstert und was einem sonst noch so alles einfällt, wenn man sein Reittier nicht allein in der mongolischen Steppe zurücklassen wollte. Das Pferd war stehen geblieben. Das Pferd hatte einfach weitergefressen. Das Pferd hatte so getan, als sei es allein, als wäre da niemand außer ihm. Bis zu jenem Moment, in dem Siebeneisen seine Angst überwunden und beschlossen hatte, zurück in den Sattel zu steigen: Da war das Pferd auf einmal losgerannt. Richtung Lager. Und Siebeneisen, der gerade einen Fuß in den Steigbügel bugsiert hatte, war mit viel Schwung auf den Boden geknallt. Genau auf jene Stelle an seinem Hintern, an der bereits ein kleines, blutrot umrandetes Loch

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