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Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Titel: Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nink
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nichts schieflaufen.«
    »Und dann? Den letzten meiner geschätzten Miterben hast du doch auch schon gefunden …«
    »Klar … Habe ich …« Wipperfürth schoss plötzlich ein Gedanke in den Kopf. Ein genialer Gedanke.
    »Und? Wo?«
    Wipperfürth strahlte. »Ich glaube, ich habe uns gerade eben 380 € gespart.«

44
    (Zur gleichen Zeit in der mongolischen Steppe.)
    »Haben Sie einmal darüber nachgedacht, wie Landschaften auf den Menschen wirken? Dass es Panoramen gibt, bei denen man das Gefühl hat, sie würden etwas in einem berühren? Etwas, von dem man bislang überhaupt nicht wusste, dass es vorhanden ist?«
    Pat O’Shady hockte auf einem mit Moos überzogenen Hügel, kaute an einem Grashalm und schaute hinaus in die Mongolei. Siebeneisen saß neben ihm. Er achtete penibel darauf, sein Gewicht nicht auf die rechte Gesäßhälfte zu verlagern – das war die mit der Stichwunde. Eine Stunde zuvor hatte er dem Kaschmirhändler bei einem großen Becher gegorener Stutenmilch offenbart, weshalb er zu ihm in den 20. Bezirk gereist war. Und hatte ihm die komplette Geschichte erzählt, von der Beerdigung der Großtante in Irland bis zu den Erlebnissen mit dem cholerischen Nashorn. O’Shady hatte ihn nicht unterbrochen, nichts kommentiert und keine einzige Frage gestellt. Erst als Siebeneisen fertig gewesen war, hatte Pat O’Shady einen einzigen Satz gesagt: »Danke, dass Sie gekommen sind.« Dann war er hinaus auf den Hügel gegangen. Nach einer Weile war Siebeneisen ihm gefolgt.
    Vielleicht lag es ja an der Stutenmilch, dass er sich nun so angenehm beschwingt fühlte. Bereits bei seiner Rückkehr ins Lager hatte es einen kräftigen Begrüßungsschluck gegeben. Die anderen Reiter waren bereits über drei Stunden vor Siebeneisen eingetroffen, und sowohl die Barlas als auch die Gurragtschaas hatten längst vergessen, wer den Wettkampf gewonnen hatte, und wahrscheinlich auch, warum er überhaupt ausgetragen worden war. Nun lagerten die Mitglieder beider Clans gemeinsam um große Feuer. Hammel wurden gegrillt, Wodka getrunken und Reiterlieder gesungen; Siebeneisen entdeckte Uchka den Fahrer, der die Männer an seinem Feuer zu einem dreistimmigen Chor arrangierte und zu dirigieren versuchte. Lawn saß zusammen mit den Schrumpelgroßmütterchen vor einer Jurte und würfelte mit Schafsknochen Orakel aus. Als Siebeneisen näher kam, blickte sie auf und lächelte ihr schönstes Lächeln. Er umarmte sie. Natürlich hat sie sich keine Sorgen gemacht, dachte er. Wieso auch? Personen mit gewissen Wahrnehmungsfähigkeiten machen sich keine Sorgen, wenn man auf einem Pferd am Horizont verschwindet – weil sie ja spüren würden, wenn etwas wirklich nicht in Ordnung ist. Dass jemand in vier Kilometer Entfernung in der Steppe stand und verzweifelt versuchte, ein Pferd am Zügel zum Mitkommen zu bewegen, gehörte eher nicht zu jenen Dingen, die die Aufmerksamkeit einer solchen Person auf sich ziehen.
    »Ich kenne das. Das mit den Landschaften.« Siebeneisen unterbrach die lange Stille zwischen den beiden Männern oben auf dem Hügel. »Wenn sie zu einem zu sprechen scheinen. Ich hatte neulich in Südafrika das Gefühl. In diesem Nationalpark. Kurz bevor wir entführt wurden.«
    O’Shady nickte. »Wissen Sie, ich glaube, dass Städte dem Menschen schaden. Seine Seele zerstören, ganz allmählich. Dass wir nicht für Straßenschluchten und Fußgängerzonen gemacht sind, sondern an einen Ort wie diesen hier gehören.« Er blickte noch immer in das Land, das vor ihnen lag. Die Sonne war hinter die Hügel gerutscht, in der Dämmerung wiegte sich das Gras der Steppe in sanften Wellen Richtung Horizont. Um sie herum veranstalteten kleine Grashüpfer einen Hochsprungwettbewerb. Siebeneisen konnte das leise Knacksen vernehmen, das die Insekten beim Abspringen erzeugten.
    Schweigend sah er in die Steppe hinaus. Er wollte jetzt nicht reden. Zum einen, weil er ähnlich empfand wie der Ire. Zum anderen, weil ihn ein leiser Verdacht beschlich, wohin dieses Gespräch führen würde. Noch war da nicht viel mehr als eine feine Ahnung, aber die würde sich möglicherweise ziemlich bald auswachsen. Warum, hätte er nicht sagen können. Er spürte es einfach.
    »Wenn wir die Zeit hätten, wären wir in ein paar hunderttausend Jahren möglicherweise so weit. So lange benötigt die Evolution bestimmt, bis sie uns auf ein Leben in Städten eingestellt hat.«
    O’Shady fing einen der auf und ab springenden Grashüpfer und betrachtete das Tier. Es saß

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