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Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Titel: Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nink
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geschrieben, während das wesentlich simplere »Lawn« gründlich misslungen war: Mr Sibbeneisen & Mrs Looahn stand auf dem Schild, das ein elegant gekleideter älterer Herr in der Ankunftshalle des Qingdao International Airport in die Höhe hielt.
    »Schau mal – das sind wir!« Lawn zupfte Siebeneisen am Arm. Der war bereits an dem Mann vorbei und musste ein paar Schritte zurückgehen, um das Unmögliche zu betrachten.
    »Wir werden abgeholt? Wir? Abgeholt? Das ist ja mal was Neues.«
    Der Mann mit dem Schild lächelte und verbeugte sich.
    »Herzlich willkommen in unserem schönen Qingdao, der Perle der nordostchinesischen Küste«, sagte er in einem eigenwillig manierierten Tonfall, bei dem Siebeneisen sogleich an die Buddenbrooks denken musste.
    »Ob ich Ihnen wohl mit Ihrem Gepäck behilflich sein kann?«
    Sie drückten ihm ihre Reisetaschen in die Hand.
    »Wenn Sie mir nun bitte folgen mögen – hier entlang.«
    Zwei Schritte hinter der Drehtür des Terminals rannten sie gegen eine Wand aus Hitze. Siebeneisens Brille beschlug augenblicklich, was er aber anfangs überhaupt nicht mehr bemerkte, weil seine Lunge gerade viel zu sehr damit beschäftigt war, genügend Sauerstoff in der Atmosphäre aufzustöbern. Er schätzte, dass es mindestens 43 Grad waren. Außerdem roch es nach faulem Seetang. Ihrem Abholer schien das alles nichts auszumachen, er ging mit forschem Schritt voran und versicherte ihnen immerzu, wie froh er sei, dass sie sich für einen Aufenthalt in Qingdao entschieden hätten. Und dass ein ganz ausgezeichnetes Programm auf sie warte: Architekturspaziergang, Teezeremonie und vor allem natürlich das Oktoberfest, ein Highlight ihres Besuchs, oh ja, das könne er jetzt schon mit Sicherheit behaupten. Und, wie schon gesagt: Alles sei vorbereitet.
    »Können wir vielleicht erst einmal schnell in unser Hotel? Ist das auch für uns vorbereitet?« Siebeneisen fühlte sich überrumpelt. Er hatte noch nicht einmal damit gerechnet, abgeholt zu werden. Und erst recht nicht, dass da jemand ein Programm für sie organisiert zu haben schien.
    »Selbstverständlich! Ein ganz wunderbares Hotel ist für Sie gebucht, das Grand Palace. Qingdaos bestes Haus. Für die Dame ist außerdem unser Golden-Princess-Spa-Paket reserviert. Das gefällt Ihnen möglicherweise besser als ein Tag im Bierzelt. Bitteschön …«
    Ihr Abholer öffnete die hinteren Türen einer Limousine, die wie ein Jaguar aussah. Als Siebeneisen um das Auto herum zu seiner Tür ging, suchte er das Heck nach einer Typenbezeichnung ab: Yaggwar. Jetzt fälschen sie hier schon komplette Autos, dachte er. Und glaubten wahrscheinlich, eine Klage des britischen Automobilherstellers abzuwenden zu können, wenn sie ein wenig an der Typenbezeichnung herumfuddelten. Unfassbar. Vielleicht waren sie aber einfach auch nur zu blöd, die Marke richtig zu schreiben. Wenn er an das Namensschild von eben dachte, war auch das möglich.
    Er ließ sich in das weiche Leder der Rückbank sinken. Es roch fabrikneu, als hätte ihr Fahrer erst fünf Minuten vor ihrer Ankunft die schützende Klarsichtfolie von den Sitzen entfernt. In einer breiten Lehne zwischen ihm und Lawn standen gekühlte Mineralwasserflaschen; daneben lagen feuchte Frotteetücher. Ihr Fahrer erkundigte sich, ob ihnen die Temperatur behage, eine Formulierung, die Siebeneisen in ihrer Antiquiertheit erneut an eine längst vergangene Epoche denken ließ. Und jetzt tröpfelte auch noch leise Musik aus Lautsprechern, die in den Türen versteckt sein mussten, Mozarts Violinsonate #21, eine Melodie, die Balsam war für ein vom langen Fliegen angekratztes Nervensystem. Für all das hier konnte es nur eine Erklärung geben, dachte Siebeneisen, als die Limousine aus dem Parkhaus nach Qingdao hinausrollte: Da hatte jemand in Oer-Erkenschwick ziemliches Fracksausen bekommen. Er malte sich aus, wie Wipperfürth und Schatten donnerstags im Fetten Hecht stundenlang Kriegsrat gehalten hatten. Die arme Walburga! Wipperfürth würde die Geschichte mit Pat O’Shady auf seine übliche Art ausgebreitet haben, und Schatten hatte mit Sicherheit sogleich eine Lösung gesucht, schnaufend und schwitzend. Und irgendwann hatten die beiden beschlossen, dass es vielleicht ganz sinnvoll wäre, ihren Mann an der Front ein bisschen zu verwöhnen. Weil sie hofften, er könne den renitenten Kaschmirwollhändler vielleicht ja doch noch umstimmen. Natürlich würden sie niemals zugeben, dass sich der Reiseluxus genau deswegen plötzlich

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