Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Titel: Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nink
Vom Netzwerk:
Qingdao. Liegt in China. Muss wahnsinnig schön dort sein, ist wohl so eine Art Seebad, angenehmes Klima, Sommerfrische der Parteibonzen, du weißt schon. Und tolles Bier brauen sie da auch. Tickets liegen am Infoschalter am Flughafen in Ulan Bator. Ihr fliegt über Hongkong.
    Habt ihr den Wollhändler? Immer schön warm anziehen!
    Na toll, dachte Siebeneisen. Das klang mal wieder so, als sei dieser ganze Trip bislang nichts anderes als ein erholsamer Wellnessurlaub. Zum 86. Mal nahm er sich vor, Wipperfürth bei seiner Rückkehr die Leviten zu lesen. Jede Nachricht von ihm, wirklich jede, hatte diesen leicht vorwurfsvollen Unterton – als verbringe er, Siebeneisen, faule, wundervolle Urlaubstage an exotischen Destinationen, während zu Hause rund um die Uhr geschuftet wurde, um das alles möglich zu machen. Er wollte gerade eine gepfefferte Antwort schreiben, als sich unten rechts auf dem Bildschirm ein kleiner Kasten öffnete. Ein winziges Porträt war zu sehen. Und ein Satz:
    Wipperfürth: My man Siebeneisen! Bin auch gerade online!
    Siebeneisen schaute gebannt auf den kleinen Kasten und das, was Wipperfürth am anderen Ende der Welt da offensichtlich vor einer Sekunde geschrieben hatte. Auch sein eigenes Porträtfoto und sein Name waren nun zu sehen, neben einem leeren Textfeld. Er schrieb testweise einen Satz:
    Siebeneisen: Kannst Du das hier lesen?
    Wipperfürth: Klar, Alter! Was denn sonst?
    Siebeneisen staunte. Sein erster Chat! Er tippte weiter.
    Siebeneisen: Dann erkläre mir bitte einmal, warum Du Tickets nach Qingdao organisiert hast, wenn Du Dir offenbar gar nicht sicher bist, dass wir den letzten O’Shady da auch treffen?
    Wipperfürth: Natürlich trefft ihr ihn. Es ist nur noch nicht klar, wann genau.
    Siebeneisen: Und wieso? Weil der Mann möglicherweise dann doch 730 Kilometer außerhalb von Qingdao wohnt und gerade keine Zeit für einen kleinen Abstecher in die Stadt hat?
    Wipperfürth: Du bist aber schräg drauf! Es gibt noch keinen Termin, weil ich seine Tourdaten noch nicht habe.
    Siebeneisen: Welche Tourdaten?
    Wipperfürth: Die von Connor O’Shady. Berühmter Elvis-Imitator. Shake, Rattle and Roll, Baby!
    Siebeneisen: Das ist von Bill Haley. Weiß O’Shady denn, dass wir kommen? Zur Abwechslung wäre das mal ganz nett, dass uns jemand erwartet. Dann würde er möglicherweise nicht im letzten Moment in eine Wüste abreisen oder Nashörner betäuben gehen oder so was.
    Wipperfürth: Okeydokey! Ich lass es ihm ausrichten. Und mach dir keine Sorgen wegen Qingdao: Your man Wippy wird da was Schickes für euch organisieren!
    Siebeneisen: Es würde mir schon reichen, wenn wir dieses Mal in einem vernünftigen Hotel wohnen dürften. In einem, in dem es Strom gibt. Und das möglicherweise nicht in einem Binnensee steht. Übrigens: Mit Pat O’Shady gibt es ein kleines Problem …
    Wipperfürth: Was? Wieso?
    Siebeneisen: Er will das Geld nicht.
    Wipperfürth: WAS ???
    Siebeneisen: Ist glücklich ohne Geld.
    Wipperfürth: NEIN !!!!
    Siebeneisen: Doch. Sorry. Tut mir leid. Sagst Du es bitte gleich Schatten?
    Wipperfürth: ER WILL SEINE 50 MILLIONEN NICHT ?
    Siebeneisen: Nein.
    Wipperfürth: UND DU HAST DAS NICHT VERHINDERN KÖNNEN ?
    Siebeneisen: Nein.
    Wipperfürth: UND DAS SCHREIBST DU EINFACH SO ? WAS MACHEN WIR DENN JETZT ???
    Siebeneisen: Was Ihr da drüben macht, weiß ich nicht. Ich soll ja nach Qingdao, um mit diesem Elvis-Verschnitt zu reden. Denkt Euch halt was aus! Bis demnächst!
    Siebeneisen schickte den letzten Eintrag ab und schloss sofort anschließend die Internetseite. In der Reflexion des Computerbildschirms sah er sich maliziös grinsen. Er stellte sich vor, wie Wipperfürth am anderen Ende der Welt gerade tobte. Ausrasten würde der jetzt, gepfiffen auf die Zen-Kurse bei der VHS . Und garantiert würde er pfeilgerade in den Fetten Hecht laufen, um Schatten vorsichtig beizubringen, dass es möglicherweise nichts werde mit den 50 Millionen. Er sah Schatten im Geiste schnaufen und schwitzen. Das geschieht euch ganz recht, dachte Siebeneisen, nach all dem, was ihr mir in den vergangenen Wochen zugemutet habt, geschieht euch das ganz recht. Er beschloss, die beiden da drüben in Oer-Erkenschwick mindestens zwei oder drei Tage zappeln zu lassen, bevor er sich wieder melden würde. Siebeneisen fühlte sich plötzlich wunderbar. Mein ist die Rache, dachte er, und die Rache ist mein.

46
    (Qingdao, VR China, zwei Tage später.)
    »Siebeneisen« hatten sie interessanterweise beinahe korrekt

Weitere Kostenlose Bücher