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Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Titel: Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nink
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Armzeugen, der geschlossene Helm mit zweiteiligem Visier, Augenschlitzen und Atemlöchern geht an den Bieter dort hinten am Gang.« Der Auktionator sah noch einmal genau hin und konnte sich dann den Nachsatz nicht verkneifen: »An den Herrn, der bei einer anderen Auktion bereits einen historischen Hut ersteigert zu haben scheint.«
    Jetzt drehten sich auch noch jene Besucher um, die vorher nur pikiert getuschelt hatten. Finn Whitesail zwinkerte einer älteren Dame zwei Stuhlreihen vor ihm zu und deutete das grüßende Lüften seines Freibeuterhutes an. Seit der Party vor ein paar Monaten war das Kostüm des Piraten Lafitte zu seiner Lieblingskleidung geworden. Man hatte ihn damals in New Orleans verhaftet, als er in voller Montur und mit gezücktem Säbel hinter den Partygästen her war, die sein Zimmer demoliert hatten. Die zuerst etwas peinlichen Zeitungsfotos und TV -Berichte über den »Piratenüberfall im French Quarter« (The Times-Picayune) hatten sich im Nachhinein allerdings als wunderbare Werbung für sein Ausstattungsunternehmen erwiesen – er hatte Aufträge aus dem ganzen Land erhalten. Seitdem war Whitesail immer öfter als Lafitte unterwegs, in den Bars von New Orleans fiel man damit nicht besonders auf. Für die Reise nach Irland allerdings hatte er auf das meiste verzichtet. Lediglich der Dreispitz war im Gepäck.
    »Möchten Sie die Rüstung an eine bestimmte Adresse geliefert bekommen?«, wurde er nun leise von einem Mitarbeiter des Auktionshauses gefragt, der mit dem Kaufvertrag zu seinem Platz im Saal gekommen war, während der Auktionator versuchte, ein etwa 50 Zentner schweres Kanonenrohr aus dem späten 18. Jahrhundert an den Mann zu bringen.
    »Nein danke«, hörte sich Finn Whitesail sagen, »ich nehme sie gleich mit.«
    Die Schmerzen hatten sich seit Wochen immer wieder angedeutet, ein einzelner Stich hinten links im Mund, ein Drücken, ein plötzliches Pochen, das nach einer Stunde wieder verschwand. Richtig heftig waren sie ausgerechnet dann geworden, als er im Flugzeug saß. Zuerst hatte er die Schmerzen ignoriert. Beziehungsweise: mit Whiskey bekämpft, bevor sie schlimmer wurden. Leider waren sie schlimmer geworden. Sie wurden es immer noch. Sein Kopf fühlte sich mittlerweile an, als werde im Innern seines Schädels ein Fußball aufgepumpt. Alle zwanzig oder dreißig Sekunden zuckten grelle Schmerzblitze aus seiner linken Kieferhälfte nach oben in die Stirn. Er hätte unentwegt stöhnen können, so weh tat es. Liam O’Shady stapfte missmutig durch Dublins Grafton Street. An dem verspiegelten Eingangsbereich eines Einkaufszentrums blieb er stehen und betrachtete sein Gesicht. Die linke Seite sah aus, als habe er einen Golfball im Mund. Liam O’Shady erschrak. Das, ahnte er, würde von alleine nicht mehr verschwinden. Er verspürte einen seltsam metallischen Geschmack im Mund. Tief drinnen in seinem Magen ballte sich ein dunkler Klumpen.
    Liam O’Shady, furchtloser Gast der Himalajatäler und Butterteerunden Lo Monthangs, wilde Mähne, wehender Bart, windgegerbt und durchtrainiert, ausdauernder Reiter, hervorragender Schütze und nicht zuletzt bewunderter Zahnarzt am Hofe Seiner Majestät – Liam O’Shady hatte Angst vor dem Zahnarzt. Angst? Panik hatte er. Schon immer. Früher hatte er jedem erzählt, er sei genau aus diesem Grund selbst Zahnarzt geworden, aber das stimmte schon deshalb nicht, weil er weder promoviert noch ausgebildet noch sonst irgendetwas war. Bevor er seine Stellung am Hofe des Königs antrat, hatte er lediglich ein viertägiges Praktikum in einer Dental-Praxis in Bangkok absolviert, und das auch nur, weil er sich in eine der Arzthelferinnen verliebt hatte (die ihm bei ihrem ersten Dinner in einem Restaurant am Chao Praya dann allerdings erklärte, dass sie gar keine Arzthelferin sei, sondern ein Arzthelfer). In den meisten Regionen der Welt wäre jemand wie er schon nach der ersten Kariesuntersuchung als Scharlatan entlarvt worden. In den Höhen des Himalajas aber hatten Patienten wenig Vergleichsmöglichkeiten, und beim Zustand ihrer Zähne half in der Regel sowieso nur noch die Zange – nie hatte jemand an O’Shadys Expertise gezweifelt. Aber nun stimmte etwas in seinem Mund nicht, und zwar hinten links. Der Klumpen in seinem Magen war jetzt steinhart. Liam O’Shady beschloss, Furcht und Schmerz zu bekämpfen und dann eine Entscheidung zu treffen. Gleich gegenüber gab es einen irischgrün gestrichenen Pub.
    Der Junge in dem Metzgerei-Imbiss war

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