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Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Titel: Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nink
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vier Kilo weniger, und man könnte es als klassisch bezeichnen. Er beschloss, in der kleinen Ayurveda-Apotheke neben dem Hotel vorsichtshalber neue Mullbinden zu kaufen und sich vielleicht auch eine kleine Reiseapotheke zusammenstellen zu lassen. Anschließend würde er seinen ersten Abend in Nepal mit einem angemessenen Abendessen begehen.
    Der Flug nach Jomoson erwies sich am nächsten Tag als luftfahrttechnisches Äquivalent zu einer Achterbahnfahrt auf der Oer-Erkenschwicker Herbstkirmes. Der Pilot steuerte die kleine Propellermaschine nach dem Start ziemlich rasch im Steilflug Richtung Berge, wo sie etwa viereinhalb Minuten später in die ersten Turbulenzen geriet. Das Flugzeug sackte ab, die Gepäckfächer sprangen auf, und Siebeneisen fing einen Rucksack auf, der sich von oben seinen blauen Augen näherte. Er blickte aus dem Fenster und sah einen Bergrücken auf sich zurasen. Kurz bevor der Berg da war, korrigierte der Pilot den Kurs, die Maschine drehte ein klein wenig bei und ließ zwischen ihrem rechten Flügel und einem heimtückisch gezackten Felsgrat etwa zwei Handbreit Platz. Dann fiel das Flugzeug in ein Luftloch und der Rucksack erneut aus dem Gepäckfach, gefolgt von einer großen Pappkiste, aus der nach dem Aufprall im Mittelgang drei Hühner entkamen und laut gackernd vielversprechende Flugversuche starteten. Irgendwer schrie. Ein Mann aus der ersten Reihe stand auf und versuchte, die Hühner einzufangen. Irgendwer schrie lauter. Der Kopilot kam mit einem Tablett Tee aus dem Cockpit und lächelte, als wisse er, nur er allein, um die geheimnisvollen Künste des Piloten und dass man mit ihm immer unversehrt ans Ziel komme. Zum ersten Mal in seinem Leben wünschte Siebeneisen, er sei Wipperfürth, Meister der Zen-Gelassenheit. Dann flog ihm eines der Hühner ins Gesicht.
    »Sie müssen Mr Siebeneisen sein!« Der Mann vor ihm reichte ihm bis zur Schulter und trug eine signalfarbene Daunenjacke, die ihn so breit wie hoch erscheinen ließ. Siebeneisen schüttelte Jigme die Hand.
    »Ja, der bin ich. Schön, Sie zu sehen!«
    »Hatten Sie einen guten Flug?«
    »Oh ja. Unvergesslich. Man hatte den Eindruck, dem Himmel sehr nahe zu sein.«
    Jigme lächelte wissend. Wahrscheinlich fliegt er ständig in solchen Höllenmaschinen, dachte Siebeneisen. Er beschloss, sofort zur Sache zu kommen, bevor Einzelheiten seiner Anreise diskutiert werden würden.
    »Wie lange fahren wir zu Mr O’Shady? Wann treffen wir ihn?«
    Jigme schien die Frage nicht richtig verstanden zu haben. Er lächelte und musterte Siebeneisen von oben nach unten. »Bald, Mr Siebeneisen, wir treffen ihn sehr bald. Es kommt ein wenig aufs Wetter an. Kommen Sie, ich stelle Sie dem Team vor.«
    Siebeneisen folgte Jigme aus der Flughafenhalle auf die Straße und fragte sich dabei, was das Wetter mit ihrer Fahrt zu tun hatte und von welchem Team der Mann sprach – ein Jeep und ein Fahrer sollten doch wohl genügen. Draußen herrschte ein unglaubliches Gewimmel, für einen so winzigen Ort wie Jomoson war es erstaunlich voll. Überall waren Männer dabei, große Stapel Kisten, Kartons und Säcke zu verschnüren, andere stapelten Eierkörbe übereinander und schleppten große Blechkessel heran. Siebeneisen gefiel das Treiben. Er dachte daran, wie emsig und fleißig die Menschen in diesem Teil der Welt rackern mussten und bekam ein schlechtes Gewissen, als ihm einfiel, dass er und seine Kollegen zu Hause beim Tagesboten sich schon beschwerten, wenn sie abends die komplette Ausgabe eine halbe Stunde lang auf Kommafehler durchforsten mussten. Da war das doch anders hier! Schon spät am Abend, und ein ganzer Ort war noch auf den Beinen und bei der Arbeit! Ein gellender Pfiff riss ihn aus seinen Gedanken. Um ihn herum ließ ein ganzer Ort Kisten und Eierkörbe stehen und stellte sich in einer langen Reihe auf.
    »Das sind unsere Männer«, sagte Jigme.
    Siebeneisen verstand nicht. Was meinte Jigme? Er versuchte, interessiert zu erscheinen, Jigme wollte ihm sicherlich die Arbeiter seines Transportunternehmens vorstellen, ein stolzer Nepali, der einem Europäer zeigt, wie weit er es gebracht hat.
    »Gehören die alle zu Ihrem Unternehmen, Jigme? Sind das alles Fahrer? Sie müssen ja eine ziemliche Autoflotte haben!«
    Jigme sah ihn an. Er lächelte verlegen, als wisse er nicht genau, wie er auf so ein Kompliment reagieren solle. Er antwortete nicht. Er lächelte einfach weiter. Und irgendwo in Siebeneisen regte sich etwas. Etwas erwachte. Etwas streckte und

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