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Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Titel: Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nink
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was den anderen Zuschauern aber überhaupt nicht gefiel, was zuerst zu Geschubse, dann zu Gestoße und sehr bald zu Gekeile führte. Fassungslos sah Siebeneisen, wie eine vierhundertköpfige Zuschauermenge übergangslos in eine vierhundertköpfige Massenschlägerei morphte. Im Ring waren Lucky und Spencer in einem Pulk aus Menschen verschwunden, die Frau mit der Handtasche schlug nun auf Luckys Gegner ein, Make My Day wehrte mit der rechten Hand heranfliegende Bierdosen ab und zerrte – in Ermangelung von Spielzeugeisenbahnschienen – mit der Linken an der Verankerung einer Sitzbank. Und vor Siebeneisen tauchte jener Bärtige auf, der eine Ewigkeit beziehungsweise neuneinhalb Sekunden zuvor auf ihn gezeigt hatte. Das Letzte, an das sich Siebeneisen erinnerte, waren zwei riesige Kängurupfoten, die etwa auf Höhe seines Kinns von links hinten an ihm vorbeiflogen.

6
    Er konnte sehen, dass sie mit ihm sprach, er sah, wie ihre Lippen unhörbare Worte formten, er hätte ihr stunden-, ach was: tagelang dabei zusehen können. Siebeneisen betrachtete Cate Blanchett, wie sie ihn, Siebeneisen, betrachtete. Er wusste nicht, warum sie da war und nicht, warum sie mit ihm sprach, aber das spielte auch keine Rolle. Nur diese Lippen waren jetzt wichtig, die Lippen und diese blassen Augen. Siebeneisen sah in sie hinein, tief hinein, und dann kroch ein Bild aus seiner Vergangenheit in sein Bewusstsein, etwas, das er vergessen hatte und das nun ganz allmählich zurückkam, etwas, das mit Sherwood Forest und dem Sheriff von Nottingham zu tun hatte. Er kniff die Augen zusammen, was zu einem entsetzlichen Gerumpel in seinem Kopf führte. Trotzdem versuchte er es:
    »Lady Marian?«
    »Er kommt zu sich!« Die Augen hatten sich kurz abgewendet, jetzt schauten sie ihn wieder an. Und die Hände zu den Augen waren unter seinem Hinterkopf und hoben ihn sachte nach vorne, und an seinen Lippen war plötzlich ein Glas. Er trank und fühlte sich sofort viel besser.
    »Hab doch gesagt, dass der was wegstecken kann«, sagte eine Stimme irgendwo im Raum, »ich kannte mal einen, der hat es damals in Darwin gleich mit fünf Rodeoreitern aufgenommen, verstehste, Jack hieß der, war ein Cousin von Mighty Rob, der Rob, den sie Weihnachten 72 …«
    Siebeneisens Kopf wurde abgelegt, ganz sanft auch das, dann war da ein »Ist ja gut …ich geh ja schon …« und ein ziemlich energisches »Raus jetzt!«, und es war still. Die Augen erschienen wieder über Siebeneisens Kopf.
    »Ich bin Sheila O’Shady«, sagt Lady Marian. Beziehungsweise Cate Blanchett.
    Siebeneisen hatte keine schlimmeren Verletzungen. Oder zumindest keine, die im australischen Outback als solche galten. Der Gesichtsbereich ab seiner Oberlippe aufwärts war geschwollen und blau-gelb-lila verfärbt, an der linken Schläfe war ein kleiner Cut, eine Rippe war geprellt, die gebrochene Nase hatten ihm bereits die Flying Doctors gerichtet, die nach der Massenschlägerei im Zelt mit einer Cessna und mehreren Kisten Verbandsmaterial nach Birdsville geflogen waren. Ziemliche Mengen dieser Binden waren nun um seinen Schädel gewickelt, wie Siebeneisen tastend feststellte, nachdem er sich aufgerichtet und die Welt um ihn herum ihr wirres Kreiseln eingestellt hatte. Neben ihm saß Wilbur, kratzte sich an seinem Beutel und schaute Siebeneisen an, als sei der vier Tage nach Pearl Harbor in einem Militärhospital auf Oahu aufgewacht und müsse das ganze Schlamassel nun behutsam erklärt bekommen. Das Känguru trug einen Verband um die rechte Vorderpfote, offensichtlich hatte sein Rettungseinsatz im Zelt Spuren hinterlassen. Siebeneisen stellte sich vor, wie das Gesicht des Mannes aussah, in das Wilbur mit 130 km/h gesprungen war, die Hinterläufe vorneweg. Er tätschelte das Tier. Sheila O’Shady kam mit einem Hotdog in der Hand zu seinem Bett. Einen Moment lang fragte sich Siebeneisen, ob alle Hot- dog-Verkäuferinnen im australischen Outback aussahen wie Elbenfeen. Dann beschloss er, seinen Job zu erledigen. Jetzt. Sofort.
    Und natürlich war Sheila O’Shady sprachlos. Was hätte sie auch anderes sein sollen? Siebeneisen dachte an Schattens Auftritt donnerstags im Fetten Hecht. Damals wusste er schon ein paar Tage, dass er möglicherweise 50 Millionen geerbt hatte und wirkte immer noch geschockt. So eine Nachricht musste man erst einmal wegstecken, dachte er, selbst ein gestandener Kerl wie Schatten musste das. Da konnte man von einer Würstchenverkäuferin nicht erwarten, dass sie hier sofort alles

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