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Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Titel: Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nink
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Kathmandu auf den Zeiger gegangen, und die hatten gedacht: Hey, super, da kommt doch dieser wahnsinnige Deutsche, der diesen Zahnarzt treffen möchte, dem geben wir unseren Rashid mit, dann sind wir ihn los und bekommen noch einen Sack Rupien dafür. Und jetzt marschierte er also mit ihnen, der Umweltoffizier Rashid. Beziehungsweise: schleppte sich hinter ihnen her. Er trug einen Seidenblouson, eine Stoffhose, Halbschuhe und eine gestrickte Zipfelmütze mit Wikingerschiffmuster. Um seinen Hals baumelte eine kleine Trinkflasche, wie Siebeneisen sie zuletzt im Kindergarten gesehen hatte, hellgrün und mit Marienkäfer-Aufklebern. Außerdem hatte er einen winzigen Fifth-Avenue-Shopping-Rucksack dabei, in dem steckten zwei Stangen Zigaretten und ein Transistorradio. Das Gerät ließ sich offenbar nicht ausschalten und plärrte ununterbrochen Wahlkampf-Propaganda der Regierungspartei in die Berge hinaus, zu der Rashid unentwegt stöhnte und jammerte. Der Umweltoffizier war völlig untrainiert. Die einzigen Berge, die er kannte, waren die auf seinem Schreibtisch. Siebeneisen vermutete, dass er ihren Marsch nicht überstehen würde.
    Der erste Tag auf dem Weg nach Lo Monthang hatte mit einem Frühstück in Jomoson begonnen, in einem Zeltlager, in dem neben Siebeneisen und Jigme auch »die Männer« übernachteten. Er war schon vor Sonnenaufgang aus dem Zelt gekrochen, kam aber nicht weit, weil die Holztür des Innenhofes, in dem die Zelte standen, verschlossen war. Also stapfte er in der Eiseskälte im Hof herum, wo es aussah wie in Wallensteins Heerlager: Rucksäcke, Packtaschen, Kisten und Tragegestänge, alles türmte sich in wilden Haufen übereinander und wurde von Hühnern inspiziert, die zwischen den Gegenständen umherstaksten und an Rucksackriemen und Zeltverschlüssen pickten. Wo noch Platz war in diesem Chaos, lagen Kühe. Siebeneisen drückte einen Esel zur Seite, der im Stehen schlief, setzte sich auf eine Treppenstufe und las in seinem Reiseführer über das, was da vor ihm lag. Die Route nach Lo Monthang galt demnach als eine der schönsten Strecken im Himalaja – und gleichzeitig als eine der leichtesten. Sanft bergan würde sie führen, schrieb der Reiseführer, immerzu ganz sanft, und während man also feengleich dahinschwebe, bekomme man einige der großartigsten Panoramen dieser Welt zu sehen. Weil die Strecke als Handelsweg genutzt werde, gebe es obendrein unvergessliche Begegnungen mit Händlern, die hinauf in das kleine Königreich an der tibetischen Grenze zogen. Und mit solchen, die von dort oben kommen würden, mit schwer beladenen Kiepen und Mauleseln.
    Die erste dieser unvergesslichen Begegnungen hätte ihre Reise bereits am Morgen um Haaresbreite beendet. Sie waren noch keine halbe Stunde unterwegs, als etwa 80 mit Säcken beladene Esel mit einem Höllengetöse um einen Felsvorsprung gedonnert kamen, gefolgt von einem hinterherlaufenden Eselsführer, der seine Einheit durch Pfiffe zu weiteren Höchstleistungen anspornte. Jigme warf sich auf Siebeneisen und drückte ihn gegen die Felswand, was eine gute Idee war, weil sich auf der anderen Wegseite logischerweise kein weiterer Fels, stattdessen aber eine klaffende Schlucht befand. Mehrere Minuten lang klebte Siebeneisen zwischen Jigmes wärmender Daunenjacke und dem kalten Gestein, bis auch der letzte Esel an ihnen vorbei war und der Staub sich gelegt hatte. Jigme lächelte.
    »Es sind heute nur vier Stunden bis Kagbeni. Eine kurze Etappe, zum Warmwerden. Und ab morgen laufen wir durch ein breites, ausgetrocknetes Flusstal, da können wir den Karawanen aus dem Weg gehen.« Er klopfte sich den Staub von seiner Jacke. Hinter ihnen rappelte sich Rashid auf und betrachtete einen großen Riss in seinem Seidenblouson. Weiter vorne waren die anderen Expeditionsmitglieder dabei, ihre Säcke und Körbe zu sortieren, die sie beim Herannahen der Eselsstampede hastig abgeworfen hatten – vollbepackt hätten sie aus Eselssicht wunderbare Ziele abgegeben, die man prima in den Abgrund hätte stupsen können.
    »Was schleppen wir da eigentlich alles mit uns?«, wollte Siebeneisen wissen.
    »Proviant. In Mustang gibt es weder Gasthöfe noch Läden. Alles, was wir zum Überleben brauchen, müssen wir mitbringen.«
    Siebeneisen nickte. Er schaute hinüber zu der endlosen Kette der 38 Träger, die ihre Lasten mittlerweile geschultert hatten und in einer langen Reihe den schmalen, steilen Gebirgspfad hinaufmarschierten. Ein schönes Bild war das! Allerdings kam es

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