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Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Titel: Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nink
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kurz angesehen und dann heimtückisch verneint. Worauf ihnen Rashid stolz erklärte, dass es sich bei dem Mann auf dem Foto um Barack Obama, President of America handelte. Dann war er zurück zu seinem Radio geschlurft, mit dem triumphierenden Lächeln eines Mannes, der sich seiner Überlegenheit bewusst ist. Und dieser Trottel sollte hier oben nach vergessenen CIA -Agenten Ausschau halten?
    »Er wird nichts von dem erzählen, was er hier gesehen hat«, unterbrach Tenzing Siebeneisens Gedankengang.
    »Glauben Sie? Wenn er wirklich hier ist, um nach Leuten wie Ihnen zu suchen, wird er zu Hause sofort zu seinem Vorgesetzten laufen und petzen!«
    »Es sei denn, er hat nichts zu erzählen …«
    Der Polizist lächelte grimmig. Er starrte in die Dämmerung. Vor ihnen lag die gewaltige Ebene, leer und leblos bis zu einem Horizont, an dem sich die Gipfel des Himalajas sehr sorgfältig zu einem jener Panoramen staffelten, für die die Postkartenindustrie das überbreite Format erfunden hat.
    »Ein Reiter.«
    Siebeneisen wollte wegen Tenzings letzter Bemerkung nachhaken, schaute aber jetzt ebenfalls hinaus in die Ebene. Er konnte nichts erkennen. Doch, jetzt: einen winzigen Punkt mit einer Staubschleppe hinter sich, der sich nach links und anschließend wieder nach rechts bewegte. Offensichtlich hatte der Mann eine Schlangenlinien-Route gewählt.
    »Warum reitet der denn so komisch? Er wäre doch schneller hier, wenn er einfach geradeaus galoppieren würde!«
    »Am dritten Abend vor einer Neumondnacht? Bei Westwind?« Tenzing schüttelte den Kopf. »Das würde sämtliche Geister der Berge erzürnen. Und die Alten erst!«
    Aus dem kleinen Punkt war mittlerweile ein größerer geworden. Offenbar gab der Reiter seinem Pferd die Sporen. Musste er auch, dachte Siebeneisen, ansonsten wäre er morgen früh noch nicht hier. Vor allem nicht, wenn er weiterhin die ganze Breite der Ebene ausnutzte. Tenzing und er sahen nach rechts und dann nach links und dann wieder nach rechts, als würde dort unten im Geröll ein Tennismatch ausgetragen. Tenzing kniff die Augen jetzt noch etwas stärker zusammen.
    »Es ist der Regierungssprecher. Da ist etwas passiert.«

11
    (Kathmandu. Knapp zwei Wochen später.)
    Als er das Glas auf den Tresen stellte, schwappte das Bier über den Rand und auf die Unterlagen, aber der Barkeeper entschuldigte sich nicht einmal – stattdessen widmete er sich sofort wieder seinem Nasenpiercing. Siebeneisen griff nach den Servietten und wischte auf. Früher konnten Menschen, die in Kneipen arbeiteten, ein Glas zumindest so abstellen, dass es anschließend noch voll war, dachte er. Er warf dem Mann hinter dem Tresen einen vernichtenden Blick zu. Der Barkeeper starrte ins Leere. Er fingerte an dem Ring in seiner Nase herum. Wahrscheinlich saß das Ding nicht richtig.
    Siebeneisen beschloss, sich nicht aufzuregen. Er trank einen großen Schluck und betrachtete dabei die Aufkleber. Was um alles in der Welt brachte Touristen dazu, unschuldige Tresen, Türen und Fensterscheiben am anderen Ende der Welt mit solchem Zeugs vollzukleistern? »Mein Stammcafé in Krems«, »Yeti Tours Warnemünde«, »Gipfelstürmer Leineberg«? Siebeneisen seufzte. Vorsichtig tupfte er die Faxe trocken, die das Bier erwischt hatte, hoffentlich war das noch alles lesbar. Er versuchte, auf dem Barhocker eine Position zu finden, in der er halbwegs sitzen konnte. Eine ohne muskuläre Erinnerungen an die letzten Etappen seines kleinen Himalaja-Spaziergangs, der mit der Ankunft des Reiters in Lo Monthang eine überraschende Wendung genommen hatte.
    Zwanzig Minuten, nachdem Tenzing geahnt hatte, dass etwas passiert sei, war nämlich Folgendes passiert: Der Regierungssprecher war nach einer ausholenden Ellipse vor dem Stadttor angekommen, hatte es tatsächlich ohne weitere Umwege in die Stadt geschafft und dort mit lauter Stimme verkündet, dass Seine Majestät in Kathmandu zu verweilen gedenke. Zu Regierungsgesprächen. Für die kommenden Wochen. Und dass er seinen Begleitern freigegeben habe. Ebenfalls in Kathmandu. Siebeneisen ließ sich das von Tenzing übersetzen. Sein Organismus war im Laufe der Wandertage immer besser mit dem geringeren Sauerstoffgehalt in der Höhe zurechtgekommen, in diesem Moment aber befiel ihn ein eigenartiger Schwindel. Die Welt um ihn herum schien an ihren Rändern zu oszillieren und beulte sich seltsam aus, nur kurz, für ein, zwei, drei Momente, als wolle sie mal kurz austesten, wie weit sie gehen könne. Dann rutschten

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