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Donnerstags im Park - Roman

Donnerstags im Park - Roman

Titel: Donnerstags im Park - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Boyd
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nahm im Schneidersitz neben ihr Platz.
    »Wie geht’s?«
    Jeanie zuckte mit den Achseln. »Okay. Und Ihnen?«
    »Klingt nicht gerade begeistert.«
    »Sie wissen ja, wie das ist.«
    Er sah sie mit seinen klaren graugrünen Augen, die denen seines Enkels so ähnlich waren, an.
    »Nein«, sagte er. »Erzählen Sie’s mir.«
    Jeanie schwieg.
    »Jetzt sind Sie an der Reihe. Meine langweiligen Familienprobleme kennen Sie schon.«
    Plötzlich brachen alle Dämme.
    »Interessiert Sie das wirklich?«, fragte sie. Erstaunt hörte sie den Trotz in ihrer Stimme.
    »Klar.«
    Jeanie holte entschlossen Luft. Sie war seit Tagen gereizt und wollte sich jemandem mitteilen. Dann musst du jetzt eben dran glauben , dachte sie.
    »Na schön.« Sie atmete noch einmal tief durch, zögerte. »Ich werde in ein paar Wochen sechzig, und mein Mann und meine Tochter haben beschlossen, mich zum alten Eisen zu werfen. Sie möchten, dass ich meinen Bioladen aufgebe, den ich liebe und mit dem ich Erfolg habe, und aufs Land ziehe. Sie begreifen nicht, warum ich bei dem Gedanken an den Ruhestand in einem verschlafenen Kaff in Dorset keine Luftsprünge mache. Scones und Marmelade am Kamin, Begonien eintopfen, Kirchenfeste, harmlose ländliche Vergnügungen. Bin ich …?« Entsetzt stellte sie fest, dass ihr Tränen in die Augen traten und ihre Stimme zu zittern begann. Ray wartete ohne eine Spur von Verlegenheit, dass sie weiterredete.
    »Soll es das schon gewesen sein?« Sie kämpfte gegen die Tränen. »Soll ich einfach so aufgeben?«
    »Was würden Sie denn gern tun?«
    »So weitermachen wie bisher. Mir gefällt mein Leben. Jedenfalls meistens.«
    »Und welcher Teil gefällt Ihnen nicht?«
    Jeanie sah ihn verwundert an. »Was für eine seltsame Frage.«
    Ray musste lachen. »Tatsächlich?«
    »Ja. Es gibt doch in jedem Leben Aspekte, mit denen man nicht zufrieden ist, oder? Ich könnte Ihnen alles Mögliche aufzählen, was ich nicht mag.« Sie ertappte sich dabei, wie sie ins Schwafeln geriet, und wusste nicht, warum. Dieser Mann brachte sie mit seiner Unverblümtheit aus der Fassung; es fiel ihr gefährlich leicht, sich ihm anzuvertrauen. »Sie sollten die Menschen nicht einfach fragen, warum sie nicht glücklich sind. Es ist besser, nicht darüber nachzudenken.«
    »Tut mir leid.« Sie musste lachen, als sie sah, wie verblüfft er auf ihren Ausbruch reagierte.
    »Nein, ich muss mich entschuldigen«, entgegnete sie. »Ich führe mich auf, als hätte ich den Verstand verloren.« Sie holte ein Papiertaschentuch aus ihrer Jacke.
    »Aber Ihre Bedürfnisse sind Ihrem Mann doch sicher wichtig, oder?«, fragte Ray. Es war, als könnte er mit seinen klaren Augen geradewegs in ihre Seele blicken. Wieder schnürte sich ihr die Kehle zu.
    »Sie hätten mich nicht darauf bringen dürfen«, murmelte sie.
    »Das war nicht meine Absicht, ich wollte nur …« Er wandte den Blick ab. Eine Weile beobachteten sie schweigend die Kinder auf dem Spielplatz.
    »Ich fühle mich nicht alt, wirklich nicht.« Sie versuchte erfolglos, die Tränen zurückzudrängen. »Ich fühle mich nicht anders. Ich bin gesund und habe Energie. Ich will nicht neben einem Mann verkümmern, der sich nicht einmal genug aus mir macht, um mit mir zu schlafen … seit zehn Jahren.«
    Sie schluckte und wurde vor Scham tiefrot. Jeanie bedeckte das Gesicht mit den Händen. Am liebsten wäre sie im Erdboden versunken.
    Sie hörte, wie Ray Luft holte.
    »Das muss schwierig sein«, sagte er vorsichtig.
    Jeanie schüttelte verblüfft über sich selbst den Kopf. »Nicht zu fassen, dass ich das … Ihnen … einem Wildfremden … erzählt habe. Sorry, wie peinlich.«
    »Ich sehe nichts Peinliches darin …«
    Da klingelte sein Handy, und er zog es aus der Tasche.
    »Gerade noch mal davongekommen«, murmelte sie.
    »Hallo? Ja … ja … nein, heute schaue ich nicht mehr vorbei; ich kümmere mich darum. Danke, dass du mir Bescheid gesagt hast, Mica. Ja, tschüs.« Er steckte das Handy in die Hemdtasche. »Das war der Klub.«
    »Opa! Opa! Ich muss pinkeln … dringend.« Dylan hüpfte unruhig vor Ray auf und ab. Ray sprang auf.
    »Komm …« Sie hasteten zu den Büschen am Rand des Parks. Jeanie kam sich vor wie nach einer Achterbahnfahrt.
    Nun redeten sie nicht mehr viel miteinander. Jeanie schnallte die vom Herumrennen erhitzte Ellie im Buggy fest und gab ihr Wasser aus ihrer blauen Schnabeltasse zu trinken. Dylan schlurfte neben dem Kinderwagen her und zog seinen Anorak über den Kopf wie eine Kapuze. Am

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