Donnerstags im Park - Roman
Tor zum Park verabschiedeten sie sich voneinander.
Ray blieb stehen. »Tut mir leid, dass keine Zeit mehr war, unser Gespräch zu beenden.«
Jeanie versuchte zu lachen. »Kein Problem. Bitte vergessen Sie alles, was ich gesagt habe.«
Er berührte kurz ihren Arm, bevor er sich von ihr abwandte. Eine sehr intime Geste, die ihr gefiel.
6
Rita bückte sich, um die Schlägerhülle, die Box mit den Bällen und ihre Jacke von der Ecke des Platzes aufzuheben.
»Was ist bloß mit dir los, Jean Lawson? Du kannst mich doch nicht immerzu gewinnen lassen. Ich weiß, dass ich wahnsinnig gut bin, aber neben dir sehe ich aus wie ein Superstar!«
Jeanie schwang ihr Racket am Netz hin und her. In den vergangenen drei Tagen hatte sie an kaum etwas anderes als an Ray und das Gespräch mit ihm gedacht. »Setzen wir uns auf die Bank?«
Sie wartete, bis sie Platz genommen hatten. Die langen Schatten eines kühlen Frühlingsabends krochen näher. Ihnen blieben noch etwa fünfzehn Minuten des verwaschenen Sonnenlichts.
»Und?« Rita sah ihre Freundin an. »Irgendwas ist los, so viel steht fest.«
»Ich habe da diesen Mann kennengelernt«, gestand Jeanie mit leiser Stimme.
»Schätzchen … Nein!« Rita machte große Augen. »Was, einen richtigen Mann?«
Jeanie lachte. »Ja, er scheint sehr real zu sein.« Sie schilderte ihre drei Begegnungen. »Es ist nichts. Ich kenne ihn nicht näher; ich weiß nicht mal, was er macht, obwohl er am Handy einen ›Klub‹ erwähnt hat.«
»Was, ein Nachtklub?«
Jeanie zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung.«
»Ein Nachtklub wäre nicht gut.«
»Nicht gut wofür?«
»Er könnte ein schmieriger Typ sein.« Rita verzog das Gesicht.
Wieder lachte Jeanie. »Du meinst, vielleicht ist er hinter meinem Körper her und will mich für gutes Geld an einen Mädchenhändler verscherbeln? Bestimmt nicht.«
»Es könnte sich um einen Sportklub oder ein Fitnessstudio handeln oder …«, mutmaßte Rita.
»Ich weiß es nicht. Was macht das für einen Unterschied? Ich sage dir doch, es steckt nichts dahinter. Ich habe ihn zwei- oder dreimal gesehen, aber es ist …«
»Gefällt er dir?«
Jeanie schnaubte verächtlich. »Rita! Nein.« Doch als sie das sagte, wurde ihr klar, dass sie log. Sie fand ihn tatsächlich attraktiv, hatte aber Ewigkeiten nicht mehr geflirtet. Jeanie merkte, dass sie unter dem wissenden Blick ihrer Freundin errötete.
»Red keinen Unsinn, ich bin verheiratet.«
Rita nickte weise. »Das ist mir aufgefallen, Schätzchen.«
Jeanie holte tief Luft. »Nein, du verstehst mich nicht. Ich … Ich habe ihm etwas erzählt … Mein Gott, mir wird übel, wenn ich daran denke. Keine Ahnung, warum ich das getan habe.«
»Was hast du ihm erzählt?«
»Dass George seit zehn Jahren nicht mehr mit mir schläft«, sprudelte es aus Jeanie heraus.
Rita blieb die Spucke weg.
»Was?«, rief sie aus. »Das kann doch nicht wahr sein!«
»Pst!« Jeanie blickte sich um.
»Du meinst: in zehn Jahren kein einziges Mal? Schätzchen, warum hast du mir nichts gesagt?«
»Anfangs dachte ich, es würde sich schon wieder einrenken, und dann sind die Jahre vergangen, und … jetzt ist es eben so.«
Rita schwieg.
»Keine Ahnung, warum ich es Ray erzählt habe. Es ist einfach so aus mir herausgeplatzt.« Wenn Rita doch nur etwas gesagt hätte! »Wahrscheinlich ist es gar keine so große Sache«, fuhr sie mit leiser Stimme fort. »Vielleicht gibt es auf der Welt Millionen von Paaren, die nie miteinander schlafen.«
»Wie ist das passiert? Warum hat es so abrupt aufgehört?«
Jeanie seufzte. »Das ist ja das Merkwürdige: Ich weiß es bis heute nicht. Er weigert sich, darüber zu sprechen. Am Anfang habe ich alles in meiner Macht Stehende getan, um ihn zum Reden zu bewegen. Aber er hat zugemacht und ist am Ende richtig wütend auf mich geworden, und da habe ich aufgehört. Den Grund nicht zu begreifen, treibt mich noch in den Wahnsinn.«
Rita schüttelte den Kopf.
»Er war sowieso nie sonderlich scharf drauf. Die Initiative habe immer ich ergriffen.« Jeanie schwieg. Dieses Thema war Neuland für sie und Rita; sie besprachen alle Aspekte ihres jeweiligen Daseins ausführlich, nur nicht ihr Liebesleben. »Und auch nicht so oft, aber für gewöhnlich konnte ich ihn überreden.«
»War er denn gut im Bett?« Ritas Tonfall ließ erahnen, dass sie die Antwort kannte.
»Ganz okay, würde ich sagen. Ich habe keinen Vergleich, weil ich es nie mit jemand anders probiert habe. George war mein erster … und mein
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