Donnerstags im Park - Roman
diesem Umzug. Ich habe von Anfang an kein Hehl daraus gemacht, dass ich nicht auf dem Land leben will. Ich habe ihm vorgeschlagen, ein Cottage zu mieten, wenn er mehr Zeit außerhalb Londons verbringen möchte. Das könnten wir uns bei Gott leisten. Aber er hört mir nicht zu. Seit er in Rente ist, entwickelt er sich immer mehr zum Diktator. Vielleicht solltest du dir eher Gedanken über ihn machen, nicht über mich. Mein Problem liegt auf der Hand: Ich will meinen Laden nicht verkaufen und nicht mit ihm auf dem Land versauern.« Ihre Stimme klang rau und schrill, als sie die Hände im Schoß gegeneinanderpresste, ohne ihre Tochter anzusehen. »Ich bin sechzig, nicht einhundertsechzig, und ich habe nichts getan, was diesen Mangel an Respekt eurerseits rechtfertigen würde.«
Schweigen, dann: »Mum …«
»Bitte nicht …« Jeanie wusste, dass Chantys Mitleid ihr den letzten Rest Selbstbeherrschung rauben würde. »Ich komme zurecht, das habe ich bereits gesagt.« Tränen traten ihr in die Augen. »Die letzten Wochen waren nur einfach sehr schwierig.«
»Ich glaube, das war zum Teil meine Schuld«, gab Chanty schuldbewusst zu. »Aber mit dir und Dad ist alles in Ordnung, oder? Ich meine, ganz allgemein?«
Es war das erste Mal, dass Chanty ihr eine solche Frage stellte. Plötzlich verspürte Jeanie den starken Wunsch, ihrer Tochter die Wahrheit zu gestehen. Nein, es ist nicht in Ordnung, schon seit Jahren nicht: Dein Vater verbirgt etwas vor mir. Außerdem habe ich einen Mann kennengelernt, mit dem ich am liebsten durchbrennen würde – den Mann im Park.
»Bei Dad weißt du immer, woran du bist«, stellte Chanty fest. »Die Rede, die er zu deinem sechzigsten Geburtstag gehalten hat, war die nicht toll?«
Jeanie nickte stumm.
»Du musst mit ihm reden, Mum. Sag ihm, wie du dich fühlst. Wenn du nicht wegziehen willst, zwingt er dich bestimmt nicht dazu. Ihr könntet euch tatsächlich erst mal ein Cottage zulegen und sehen, wie es läuft.«
»Ich komme schon zurecht«, wiederholte Jeanie wohl zum hundertsten Mal.
»Okay, aber bitte rede mit ihm. Versprochen, Mum?«
Jeanie versprach es ihr mit einem Lächeln, und Chanty ließ den Motor an.
Als sie am Dienstagmorgen im Laden den Blick hob und Dylan vor sich stehen sah, zuckte sie zusammen. Er war in Begleitung einer Frau Ende zwanzig, einer blassen, nervös wirkenden Person mit hübschem Gesicht, die Dylan an der Kapuze seines gestreiften Sweatshirts festhielt und ihn bei jedem Schritt zurückzog. Dylan grinste Jeanie an.
»Hallo, Dylan, wie geht’s?«
Die Frau musterte sie neugierig.
»Wir kennen uns vom Park«, erklärte Jeanie. »Da gehe ich manchmal mit meiner Enkelin Ellie hin.« Das war also Rays Tochter, dachte sie, und ihr Herz schlug schneller.
»Ach ja, das hat Dad erwähnt. Und Dylan hat von Ellie erzählt« – sie machte ein verlegenes Gesicht –, »nicht immer Gutes.«
Jeanie musste lachen. »Ich fürchte, Ellie liebt Ihren Sohn abgöttisch.«
Dylan grinste. »Sie will immer mit mir spielen, aber das geht nicht, weil sie noch so klein ist.«
»Trotzdem solltest du nett zu ihr sein, das weißt du«, ermahnte ihn die Frau. »Ich heiße übrigens Natalie.«
»Jeanie. Wie geht’s Ihrem Vater?«
»Gut. Er sagt, er ist sehr beschäftigt mit dem Klub. Gehen Sie nach wie vor in den Park? Dylan hat schon eine ganze Weile nichts mehr von Ihnen erzählt.«
»Nicht zum Waterlow Park. Meiner Tochter gefällt der Priory Park besser; sie findet das Spielgerät dort anregender.«
Das klang so lächerlich, dass sie sich fragte, warum Natalie nicht laut lachte, doch diese nickte nur ernst.
»Ich verstehe, was sie meint … Der neue Spielplatz in Waterlow ist wunderbar, aber nicht das Richtige für Kinder im Alter Ihrer Enkelin. Priory ist ein bisschen weit weg für uns; wir sind in North.«
»Opa balanciert auf dem Wackelbalken«, erklärte Dylan und forderte Jeanie mit einem Blick auf, seine Aussage zu bestätigen.
»Ja, und zwar höchst elegant.« Jeanie sah den Stolz in seinen Augen, als sie das sagte.
Natalie schaute sich um. »Haben Sie Reismilch?«
»Reismilch, Hafermilch, Sojamilch …« Jeanie deutete auf ein Regal.
»Sojamilch ist schlecht; davon bekommt man Krebs«, erklärte Natalie, »es sei denn, sie ist fermentiert. Die sind wunderschön.« Sie deutete auf einen Korb mit Birnen, wählte zwei Stück aus und legte sie auf die Ladentheke.
»Ich habe eine zum Frühstück gegessen, sie sind köstlich.« Jeanie fragte sich, ob Natalie
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