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Donnerstags im Park - Roman

Donnerstags im Park - Roman

Titel: Donnerstags im Park - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Boyd
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Größe?« Er lachte. »Dein sechzigster Geburtstag hat dich in eine merkwürdige Stimmung versetzt.«
    Am liebsten hätte sie geschwiegen. Doch sie kannte ihren Mann. Er würde nicht eher Ruhe geben, bis sie sich äußerte.
    »Ich habe dir gesagt, was ich davon halte, George. Etwas anderes fällt mir im Moment dazu nicht ein.«
    Jeden Abend wartete Jeanie sehnlichst auf den Moment, wenn George nach oben ging und sie sich in ihr eigenes Schlafzimmer zurückziehen und hemmungslos weinen konnte. Die Tränen galten nicht nur Ray, sondern entsprangen einer umfassenden Traurigkeit über ihre belastete Kindheit, die Krankheit und den Tod ihres Bruders, die Lüge, die sie lebte, seit George ihr Bett verlassen hatte, und den Mann, zu dem George geworden war. Eigentlich, dachte sie, sollten Tränen eine reinigende Wirkung haben, doch von diesen konnte man das nicht behaupten.
    »Mum, du siehst schrecklich aus.« Chanty musterte sie vom Fahrersitz aus, als Jeanie in den Wagen ihrer Tochter stieg. Ellie streckte vom Rücksitz aus die Hand nach ihrer Großmutter aus.
    »Gin, komm … Schau, meine Tasche und mein Schirm.« Sie schwenkte eine leuchtend pinkfarbene Tasche vor Jeanie, in der der grüne Schirm mit den Dinosauriern steckte. Jeanie drückte einen Kuss auf ihre Hand.
    Chanty wartete, die Finger auf dem Lenkrad, dass ihre Mutter den Sicherheitsgurt anlegte.
    »Soll ich nach hinten zu Ellie? Mich mit ihr beschäftigen?«
    Chanty schüttelte den Kopf. Dabei wippte ihr eng gefasster, blonder Pferdeschwanz auf und ab. »Sie soll schlafen. Sonst wird’s anstrengend.«
    Es war Sonntag, und sie fuhren zu Tante Norma zum Tee, den diese immer mit bebuttertem Weißbrot, von dem die Rinde abgeschnitten war, einer prächtigen Etagère mit Keksen oben, Leckereien in der Mitte und einem großen, runden Früchtekuchen unten zelebrierte – alles selbstverständlich mit den Fingern zu essen. Tante Norma hasste Kuchengabeln und bezeichnete sie als »üble kontinentale Erfindung«. Sie tranken Lapsang Souchong, Blätter, keine Beutel, aus feinem Porzellangeschirr. Tante Norma überließ sogar Ellie ihre eigene Porzellantasse mit einer winzigen Menge Tee darin. Ein Vertrauen, das die Kleine zu Chantys und Jeanies Erstaunen nicht enttäuschte, weil nie auch nur ein Tropfen davon auf dem cremefarbenen Teppich landete.
    »Mum?« Chanty blickte wiederholt zu ihrer Mutter hinüber, während sie am Wimbledon Common entlangfuhren. »Ist wirklich alles in Ordnung? Du wirkst erschöpft.«
    »Mir geht’s gut.«
    »Beschäftigt dich immer noch die Geschichte mit dem Mann im Park?«
    »Fangen wir nicht wieder damit an.«
    »Mum, ich musste fragen. Das bin ich Ellie schuldig. Du hättest an meiner Stelle das Gleiche getan.«
    »Darum geht’s nicht. Es ist alles in Ordnung, Liebes.«
    »Sag mir’s, Mum, bitte. Tut mir leid, dass ich dir nicht vertraut habe. Es hatte wirklich nichts mit dir zu tun. Ich habe mir Sorgen um Ellie gemacht.«
    Jeanie legte eine Hand auf den Arm ihrer Tochter. »Ich hab dir doch gesagt, dass es darum nicht geht.«
    »Worum dann? Dad meint, du wirkst völlig verändert. Er hat Angst, dass du krank bist. Hat’s mit dem Umzug zu tun? Dad behauptet, das Haus gefällt dir sehr.«
    »Das Haus ist sehr schön, aber das bedeutet nicht, dass ich darin leben möchte. Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich jetzt lieber nicht darüber sprechen. Ich komme schon zurecht. Wirklich.«
    Doch so schnell gab ihre Tochter nicht auf. Sie lenkte den Wagen hinter Wimbledon Village an den Straßenrand.
    »Mum, wir fahren erst zu Tante Norma, wenn du mir gesagt hast, was los ist.« Sie vergewisserte sich kurz, dass Ellie schlief, verschränkte die Arme und wartete.
    Jeanie war zu erschöpft, um zu widersprechen. »Na schön … Ja, wahrscheinlich hat’s mit dem Umzug zu tun. Ich will nicht weggehen, meinen Laden und mein ganzes Leben aufgeben.« Als Chanty den Mund aufmachte, um ihr die Gegenargumente zu präsentieren, winkte sie ab. »Bitte versuch nicht, mir die Vorzüge von Somerset schmackhaft zu machen. Ich bin nicht blind, die sehe ich selber. In letzter Zeit werde ich das Gefühl nicht los, dass niemand mir zuhört. Du, Dad, ihr scheint mir kein eigenes Urteilsvermögen mehr zuzutrauen. Zum Beispiel die Sache mit dem Park … oder sollte ich sagen: die Nicht-sache? Du meinst, ich sei vertrottelt genug, um mich nicht mehr an das zu erinnern, was ich getan habe, und schenkst meinen Erklärungen keinen Glauben. Und Dad überrollt mich mit

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