Donnerstags im Park - Roman
gefasst war. Mit ihren geschwollenen, rot angelaufenen Füßen in den zu kleinen Pumps und dem braunen Wollrock konnte sie siebzig oder auch neunzig sein. Bestimmt, dachte Jeanie, hatte sie sich für diesen Besuch eigens in die unbequemen Schuhe gezwängt.
»Ich wohne dreihundert Meter weit weg.« Sie deutete mit ihrem feisten Arm in Richtung Ort. »Höchstens vierhundert. Was für ein Zufall, dass ausgerechnet Imogens Sohn die Old Rectory gekauft hat.« Sie lachte keuchend. »Wie ich den Namen Lawson gehört habe, konnt ich’s nicht glauben. Das Haus stand so lange leer; es muss auf Sie gewartet haben.«
»Ein sehr schönes Haus.«
Lorna zuckte mit den Achseln. »Früher ja. Noch viel schöner war’s, bevor dieser schreckliche Barkworth die Fassade mit den grässlichen viktorianischen Erkerfenstern ruiniert hat.« Als Jeanie sie fragend ansah, fuhr Lorna fort: »Viktorianische Erkerfenster an einem georgianischen Pfarrhaus? Ich habe ihn darauf hingewiesen, aber er wollte nicht hören. Er hat gesagt, das ist egal, es werden immer neue Elemente in anderen Stilrichtungen angefügt. Stimmt natürlich, doch Barkworth lebte nicht gerade in der viktorianischen Zeit, oder?«
Jeanie fühlte sich nicht qualifiziert, einen Kommentar über die ihrer Meinung nach hübschen Erkerfenster zu beiden Seiten der Eingangstür abzugeben.
»Meiner Ansicht nach verderben sie den Gesamteindruck.« Lorna seufzte tief. »Aber was zählt meine Meinung schon? Heutzutage machen die Leute, was sie wollen.«
»Kommen Sie doch auf einen Drink herein. Ich rufe George noch einmal.« Jeanie fürchtete, dass ihre Nachbarin umkippen würde, wenn sie sich nicht bald setzte.
»George, hörst du nicht?« Jeanie zupfte an seinem Ärmel. »Bitte komm rein. Lorna, eine alte Freundin deiner Mutter, ist da. Erinnerst du dich an sie? Sie behauptet, sie hätte dich als Jungen gekannt.«
George sah sie unverwandt an, ohne auch nur einen Schritt zu tun.
»Eine Stunde wäre es noch hell«, murmelte er und warf einen bedauernden Blick auf die Büsche.
»Ich hab sie nicht hergebeten. Trotzdem wäre es unhöflich, sie allein da sitzen zu lassen.« Mittlerweile wohnten sie schon sechs Wochen in dem Haus, und George hatte den größten Teil der Zeit im Garten verbracht. Seine frühere Obsession – die unzähligen Uhren, die er im Lauf der Jahre gesammelt hatte – ignorierte er seit dem Umzug völlig. Sie ruhten in den Kisten, die sich an der Wand seines neuen Arbeitszimmers stapelten. Er frühstückte hastig und hielt sich dann – bei jedem Wetter – bis Einbruch der Dunkelheit draußen auf. Erst am frühen Nachmittag kehrte er in die Küche zurück, um ein Käsesandwich aus dem Kühlschrank zu holen sowie eine vom Morgen übrig gebliebene Tasse kalten Kaffee zu trinken. Wenn er abends erschöpft hereinkam, schenkte er sich einen großen Whisky ein, bevor er sich schweigend an den Abendbrottisch setzte und schließlich ins Bett ging. Obwohl er Jeanie gegenüber zuvorkommend war, schien er sie kaum wahrzunehmen. Er litt nach wie vor unter Depressionen, wirkte jedoch merkwürdigerweise nicht unglücklich, sondern eher in seiner eigenen kleinen Welt gefangen. Jeanie fragte sich, was passieren würde, wenn eines Tages kein Käse für sein Sandwich da wäre. Würde er in den Laden gehen und selbst welchen kaufen? Denn normalerweise verließ er Haus und Garten nicht. Sie bemühte sich erneut, ihn dazu zu bewegen, dass er einen Arzt aufsuchte, diesmal jemanden aus der Gegend, den er nicht kannte, weil sie meinte, dass ihm das leichter fallen könnte als bei Dr. Hall. Aber sie erhielt wieder die gleiche Antwort: »Mir fehlt nichts. Ich bin nur ein bisschen müde.«
»George, mein Lieber.« Lorna schob sich schwer schnaufend an den Rand des Sofas.
»Behalten Sie ruhig Platz«, sagte Jeanie.
»Wie lange ist es her, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben?«, erkundigte sich Lorna und lehnte sich dankbar in die Kissen zurück. »Deine liebe Mutter ist schon so lange tot. Du scheinst ihre Leidenschaft für den Garten geerbt zu haben.« Sie wandte sich Jeanie zu. »Kannten Sie ihren Garten? Mein Gott, war der schön! Die Leute kamen von weither, um ihn zu bewundern.« Sie lachte. »Natürlich nur, wenn Imogen sie ließ.«
George setzte sich mit schmutzigen Händen hin. In der Arbeitskleidung sah er aus wie ein Landstreicher. Er sagte kein Wort, schaute nur hin und wieder Lorna verwirrt an. Das schien Lorna nicht aufzufallen. Sie erzählte ihnen die Geschichte
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