Donnerstags im Park - Roman
sie hinter dem Schirm nicht erkennen. Als sie auf gleicher Höhe mit ihnen war, riss eine Windbö ihn hoch, und Jeanie erkannte Ray. Ray und eine junge Frau, um die er die Arme gelegt hatte, die er anlachte … eine schöne junge Frau.
Jeanie wurde übel; sie erstarrte. Die beiden liefen den Hügel hinunter. Ray hatte sie nicht bemerkt. Jeanies Übelkeit verwandelte sich in tiefe Verzweiflung. Irgendwie schaffte sie es, sich von der Hauptstraße zu Chantys und Alex’ Haus zu schleppen.
»Jean, komm rein. Alles in Ordnung? Du siehst aus, als wärst du einem Geist begegnet«, begrüßte Alex sie. »Ellie wacht sicher gleich auf. Sie freut sich schon auf dich.«
Jeanie rang sich ein Lächeln ab. »Könnte ich bitte ein Glas Wasser haben, Alex?«
Ihr Schwiegersohn rührte sich nicht von der Stelle. »Bist du krank?«
»Geht schon wieder«, versicherte sie ihm.
»Was war denn?«, erkundigte sich Alex.
»Ehrlich, alles in Ordnung. Ich hab heute noch nichts gegessen, weil ich früh zum Zug musste, und dann war im Laden viel zu erledigen.«
Alex wirkte erleichtert. »Man muss sich Zeit nehmen fürs Frühstück. Darüber hat Chant eine Sendung gemacht. Kinder, die frühstücken, sind in der Schule besser als solche, die nüchtern kommen. Ist ja auch logisch: Nach einer Nacht ohne Futter braucht das Gehirn Nahrung, um zu funktionieren.« Er lachte. »Eigentlich müsstest du das wissen. Schließlich bist du die Ernährungsexpertin, Jean.«
»Ja, ja.« Sie stimmte in Alex ’ Lachen ein, um ihn zu überzeugen.
»Ich mache dir Honigtoast und Tee, und dann wecken wir Ellie.«
»Wie läuft’s mit den Vorbereitungen zur Ausstellung?«, fragte sie, während sie ihren Toast aß. Ihr nüchterner Magen hatte nicht das Geringste mit ihrer Schwäche zu tun, das wusste sie. »Du wirkst ganz entspannt«, teilte sie ihrem Schwiegersohn mit.
Alex holte tief Luft. »Ich befinde mich gerade im Auge des Taifuns, das ist die kurze Zeit zwischen der Erleichterung, dass die Arbeit endlich abgeschlossen ist, und der Furcht, dass meine Sachen nicht ankommen.«
»Was bedeutet, dass du am Donnerstag nervös sein wirst.«
»Nervös? Das ist die Untertreibung des Jahrhunderts.«
»Ach.«
»Du kommst doch mit George, oder?« Er zögerte. »Wie geht’s ihm überhaupt?«
»Ich weiß nicht, ob er das packt, Alex. Er bewegt sich sonst nie aus dem Haus. Wahrscheinlich ist ihm schon die Zugfahrt zu viel.«
»So schlimm …? Chanty glaubt, dass er sich gefangen hat.«
»Er fühlt sich nicht mehr so elend wie noch vor ein paar Wochen, dafür hat er sich in seine eigene kleine Welt zurückgezogen«, erklärte sie.
Ellie hatte Jeanie nicht vergessen, das war ein Trost. Die Kleine wich nicht von der Seite ihrer Großmutter und zog sie aufgeregt plappernd nach oben, um ihr ihre Spielsachen zu zeigen. Jeanie wäre gern mit ihr hinausgegangen, aber es regnete so stark, dass die Tropfen von der Terrasse hochspritzten wie › tanzende Püppchen ‹ , die Ellie mit Begeisterung vom Fenster aus beobachtete.
»Schau, Gin … Püppchen tanzen im Regen.«
»Wie gefällt’s dir im Kindergarten?«
»Gut«, sagte Ellie mit ernster Miene. »Ich habe einen Freund, Jack. Wir waren bei der Puppenschau, Gin.«
»War’s schön?«
»Ja«, antwortete Ellie wieder so ernst, dass Jeanie schmunzelte. In den vergangenen Wochen hatte die Kleine deutlich besser sprechen gelernt.
»Meine Puppe heißt Becky, schau. Sie ist klein und hat Hunger. In der Tasche ist Milch.« Sie holte eine Plastikflasche aus einer pinkfarbenen Reißverschlusstasche und tat, als würde sie die Puppe füttern. »Sie muss schlafen«, erklärte sie wie eine Erwachsene, während sie die Puppe in ein pinkfarbenes Tragebettchen legte und vorsichtig zudeckte. Alex sah von der Tür aus zu.
»Hoffentlich macht sie das bei ihrem Geschwisterchen auch so«, scherzte er.
»Verlass dich darauf mal lieber nicht«, meinte Jeanie. Ellie war die Einzige, die es schaffte, sie von ihren trüben Gedanken über Ray abzulenken.
»Das Essen ist fertig, Ell«, verkündete Alex. »Würstchen mit Ketchup.«
»Ooooh.« Ellie strahlte übers ganze Gesicht. »Würstchen und Ketchup. Hast du Hunger, Gin? Ich geb dir was ab.«
»Ich fürchte, ich muss gehen, Liebes.« Jeanie stand vom Boden auf.
»Bleib doch zum Abendessen. Chanty kommt in ungefähr einer Stunde heim.« Alex grinste verlegen. »Ich möchte nicht, dass du aus den Pantinen kippst, sobald du das Haus verlässt. Sonst meint Chant am Ende noch, ich
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