Donnerstags im Park - Roman
hätte nichts aus meinen Fehlern gelernt.«
»Danke, Alex, aber ich muss zurück zum Laden. Da wartet eine Menge Arbeit auf mich.«
»Gefällt’s dir denn in Somerset?«
Alex wirkte völlig verändert, jetzt, da seine Arbeit beendet war. Er klang aufrichtig interessiert. Jeanie schnürte sich die Kehle zu. Bisher, das wurde ihr klar, hatte sie gedacht, es bestehe eine Chance, wieder mit Ray zusammenzukommen, selbst wenn sie sich dagegen entschied. Weswegen sie Somerset immer noch als Zwischenstation empfand, für die sie sich nicht wirklich engagieren musste.
»Ich weiß nicht, wie ich darauf antworten soll«, sagte sie, die Tränen unterdrückend.
»Liegt’s an George? Das Zusammenleben mit ihm in diesem Zustand muss schwierig sein.«
Jeanie sah Ellies besorgten Blick.
»Traurig, Gin?«, fragte die Kleine, legte den Arm um Jeanies Bein und streichelte sanft ihr Knie.
Jeanie holte tief Luft.
»Ein bisschen, Liebes, aber das renkt sich wieder ein.« Sie hob Ellie hoch und drückte sie fest an sich.
»Ich gehe jetzt lieber.« Jeanie nahm sich während des Abschieds auf den Stufen, beim Winken und sogar noch auf der Straße zusammen. Doch sobald sie um die Ecke war, verlor sie die Fassung.
In dem Apartment über dem Laden, in dem sich fast zwei Monate lang niemand aufgehalten hatte, herrschte eine kühle, unbewohnte Atmosphäre. Jeanie hatte es in neutralem Weiß streichen lassen und die billigen Möbel durch Sachen aus dem Haus in Highgate ersetzt. Die Räume besaßen Potenzial. Wohnzimmer und Küche waren durch die Fenster zur High Street und zu den Grünflächen hell. Dazu kamen ein geräumiges Schlafzimmer und ein Bad. Sie konnte alles gemütlich gestalten, sagte Jeanie sich, als sie die Heizung aufdrehte und Tee aus dem Schrank holte. In dem dunklen alten Haus mit den hohen Decken hatte sie sich nie richtig wohlgefühlt. Trotzdem kam es ihr falsch vor, in Highgate zu sein und nicht an dem Ort, den sie fünfunddreißig Jahre lang ihr Zuhause genannt hatte. Sie schlang die auberginefarbene Decke aus der alten Küche um sich und legte sich benommen aufs Sofa.
Rita schaute sich neugierig in dem Apartment um. »Hm, schon ein Rückschritt im Vergleich zu dem alten Palast, hat aber Potenzial als Stadtwohnung.« Sie setzte sich in einen Sessel. »Wie läuft’s? Du siehst schrecklich aus.«
Jeanie hatte Rita angerufen und ihr die Sache mit Ray erzählt, worauf diese sofort zu ihr geeilt war.
»Ich komme mir ziemlich dämlich vor.«
»Warum? Du hast nichts Dummes getan, abgesehen davon, dass du deiner großen Liebe den Laufpass gegeben hast.«
Jeanie reagierte nicht auf ihre Provokation.
»Sorry, Schätzchen. Ich merke schon, dass du nicht in der Laune bist für Scherze.«
»Wie dumm von mir zu glauben, dass er mich wirklich begehrt. Es gibt so viele junge, hübsche Frauen. Sie war sehr attraktiv, Rita, dunkelhäutig, groß und schlank, und sie hatte ein atemberaubendes Lächeln. Viel jünger als er natürlich, aber das war seine letzte Freundin auch. Er mag junge Frauen.«
»Woher weißt du, dass sie seine Freundin ist?«
»Sie standen unter demselben Schirm. Er hatte den Arm um sie gelegt; sie haben gelacht«, zählte sie auf.
»Trotzdem könnten sie einfach nur Freunde sein, die einander zufällig begegnet sind. Haben sie denn geknutscht?«
Jeanie bedachte ihre Freundin mit einem mitleidigen Blick. »Nein, aber es sah aus, als würden sie gleich damit anfangen.«
»Jeanie, ich bin alt genug, um zu wissen, dass Mutmaßungen sehr gefährlich sein können.« Rita stand auf. »Hast du Wein im Haus? Du brauchst definitiv was zu trinken.«
Jeanie schüttelte den Kopf.
»Dann gehen wir aus. Du kannst nicht hier rumsitzen und dich in Selbstmitleid suhlen.«
»Was bleibt mir denn sonst noch, Rita?«
Rita setzte sich seufzend hin. »Du wolltest dich doch nicht mehr mit Ray treffen, oder? Warst entschlosen, ihn nicht wiederzusehen. Wild entschlossen, dein Leben in Dorset zu beschließen … Ach nein, in Somerset. Keine Ahnung, wieso der heutige Tag irgendetwas verändern sollte.« Sie schwieg kurz. »Es sei denn natürlich, du hattest geheime Sehnsüchte, von denen ich nichts weiß …« Sie hob die Augenbrauen.
»Wahrscheinlich bin ich ganz egoistisch davon ausgegangen, dass er auf mich warten würde«, gestand Jeanie traurig. »Bei unserem letzten Treffen hat er gesagt: ›Du weißt, wo du mich findest, wenn du es dir anders überlegst.‹« Jeanie sah Rita an. »Natürlich konnte er nicht ewig
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