Donnerstags im Park - Roman
warten.«
»Soll das heißen, dass du jetzt mit ihm durchbrennen würdest, wenn er frei wäre?« Rita verzog das Gesicht. »Ich verstehe dich wirklich nicht, Schätzchen. Einerseits kannst du George nicht verlassen; andererseits gerätst du völlig aus dem Tritt, wenn Ray sich in der vernünftigen Annahme, dass du ihm den Laufpass gegeben hast, eine andere anlacht.«
»Ich erwarte gar nicht von dir, dass du das begreifst. Ich versteh’s ja selber nicht.«
20
»George, heute Abend ist die Eröffnung von Alex’ Ausstellung. Kommst du mit? Wir können in der Wohnung übernachten und morgen zurückfahren. Du hast das Apartment noch nicht gesehen.«
»Natürlich komme ich mit. Alex’ großen Tag darf ich doch nicht verpassen.«
»Das heißt aber, dass wir um drei den Zug erwischen müssen.«
»Heute?«
»Ja.«
»Heute ist schlecht.« Nieselregen hüllte die Landschaft in düsteres Grau. »Ich muss das Gemüsebeet noch vor dem ersten Frost umgraben. Ich sollte wirklich …«
»Es geht nicht anders, George, die Vernissage ist heute.«
George überlegte.
»Natürlich komme ich mit«, wiederholte er unsicher.
»Du musst nicht. Ich kann auch Sally herbitten. Alex hat sicher Verständnis, wenn du dich nicht in der Verfassung fühlst.«
»Nein, ich komme mit.«
Ein Teil von Jeanie wünschte sich nichts sehnlicher, als dass er sie begleitete, der alte George, der solide, unerschütterliche Ehemann und Vater. Der andere Teil fürchtete sich davor, ihn so weit von der Sicherheit des Hauses wegzulocken. Angenommen, er betrank sich und benahm sich wieder wie an jenem Abend bei Chanty?
Der Zug hatte aufgrund einer Signalstörung in Axminster über eine Stunde Verspätung. Anfangs schwieg George noch und schaute mürrisch aus dem Fenster, aber dann spürte Jeanie allmählich Neugierde und Aufregung in ihm aufsteigen. Seine Augen begannen zu strahlen; er plauderte über Dinge mit ihr, die er ihrer Ansicht nach in seinem gegenwärtigen Zustand gar nicht wahrgenommen haben konnte. Es war, als ob sich plötzlich Monate gespeicherter Informationen entluden. Er redete über Lorna und Sally, das Haus, die Familie und natürlich den Garten. Als sie aus dem Zug stiegen, war er, wenn schon nicht lebhaft, so doch ein wenig fröhlicher, als hätte sich eine Wolke verzogen. Jeanie verfolgte diese Entwicklung voller Erstaunen. Offenbar hatte ihm die selbst auferlegte Isolation in der Old Rectory eher geschadet als genützt, und der Mangel an geistiger Anregung hatte ihn tiefer in Depressionen versinken lassen. Wenn er wieder zu einem richtigen Ehemann würde, dachte Jeanie, konnte sie vielleicht doch noch optimistisch sein und wäre in der Lage zu vergessen.
Die Räume der Galerie waren hell erleuchtet; an den weißen Wänden hingen bunte Bilder. Jeanie freute sich sehr über die positive Entwicklung, die die Arbeit ihres Schwiegersohns genommen hatte, und genoss die Atmosphäre inmitten der kleinen Gruppe von Gästen, die, Weinglas in der Hand, die Gemälde begutachteten und sich unterhielten.
»Dad, Mum.« Chanty, die ihren Bauch geschickt mit einem eleganten schwarzen Hängerkleid und Leggings kaschierte, wirkte erleichtert darüber, sie und George zu sehen. »Wie war die Fahrt nach London?«, erkundigte sie sich.
Jeanie merkte, dass ihre Tochter die Tür, die Gäste, ihren Mann und die Reaktion der Kunstbeflissenen auf seine Werke im Auge behielt. Alex stand vor Angst fast erstarrt ein wenig abseits und lächelte, die großen blauen Augen aufgerissen wie ein im Scheinwerferlicht gefangenes Kaninchen.
Eine attraktive Spanierin mit wippendem Pferdeschwanz und leuchtend roten Lippen klebte rote Punkte neben einige der Gemälde.
»Es wird, glaube ich, ein Erfolg. Haltet uns die Daumen. Die Bilder gefallen ihnen«, flüsterte Chanty ihrer Mutter zu.
»Sie sind gut«, bestätigte Jeanie. »Besonders das da.« Sie deutete auf ein Gemälde neben der Tür. »Tolle Farben.«
»Dad scheint sich auch wohlzufühlen.« Sie blickten zu George hinüber, der aufmerksam einem schlanken, ernsten, ganz in Schwarz gekleideten Mann mit großer Tasche quer über der schmalen Brust lauschte.
»Wenn der Typ nicht aufpasst, hält George ihm einen Vortrag über Gartenbau.«
Chanty hob fragend die Augenbrauen.
»Er ist besessen von dem Garten.«
»Ist das gut?«
»Wahrscheinlich nicht, aber so ist dein Vater nun mal. Die armen Uhren würdigt er keines Blickes mehr. Heute im Zug ist was Merkwürdiges passiert – urplötzlich hat er aufgemacht
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