Don't worry, be German. Ein Ami wird deutsch
warum 50 000 000 Amerikaner gut drauf sind, wie schaffen es dann die anderen 250000000 Amerikaner ganz ohne Prozac?
Zu dieser zweiten Gruppe gehört meine Mutter Judy. Sie nimmt Pillen gegen ihre Knieschmerzen und andere körperliche Beschwerden, aber sonst gegen nichts. Und ihre Freunde auch nicht. Okay, einige nehmen vielleicht Viagra, um im richtigen Moment ... na ja ... Sie wissen schon ... um eben auch gut drauf zu sein. Aber mehr nicht. Nein, ich denke, dass Judy ein sehr freundlicher Mensch ist und wie viele Amerikaner eine sehr optimistische Lebenseinstellung hat.
Sie hat zum Beispiel einen Kumpel, Tony, der über 90 Jahre alt ist. Und jedes Mal, wenn Judy ihn sieht, fragt sie: »Hi, Tony, how are you doing today?« Und Tony antwortet: »I'm doing great, I'm still alive!« Das nenne ich eine positive Grundeinstellung. Kein Meckern darüber, dass es vielleicht gerade regnet oder die Steuern wieder angehoben wurden, sondern glücklich darüber zu sein, sich richtig zu freuen, dass man noch nicht unter der Erde liegt. Und viele
Amerikaner sind genau wie Tony. Genau wie Judy. Sie bleiben bei ihrer optimistischen Grundhaltung, egal was passiert. Sie verlieren ihren Job und sagen: »Der Job war sowieso schlecht. Ich suche mir einen besseren.« Oder ihr Haus wurde von einem Tornado weggepustet und befindet sich jetzt in einem anderen Bundesstaat, dann sagen sie: »No Problem, ich wollte sowieso umziehen.«
Das nenne ich eine wirklich optimistische Grundhaltung!
Aber mittlerweile habe ich sehr viel Verständnis für den Pessimismus, der manchmal in Deutschland herrscht, denn tatsächlich ist es hier viel schwieriger als in Amerika, optimistisch zu sein. Ich meine: Selbst das deutsche Wort »Optimist« besteht zur Hälfte aus »Mist«.
Im Kapitel Gesundheit spreche ich ja darüber, dass man auf die Frage »Wie geht es dir?« gerne medizinisch fundierte Antworten gibt. Und das manchmal sehr ausführlich. Natürlich kann man bei diesen Antworten sehr viel lernen. So viel sogar, dass man leicht auf die Idee kommen könnte: »Hey, ich brauche gar nicht Medizin zu studieren, um Arzt zu werden. Ich brauche nur mit vielen Deutschen zu quatschen.«
Aber solche Gespräche haben auch gewisse Nachteile, denn sie können oft sehr belastend für den Zuhörer sein. Wie es bei mir einmal der Fall war.
Ich startete gut gelaunt in den Tag. Die Sonne schien, ich hatte keinen Kater vom Abend zuvor, und dann erzählt mir ein Freund, nachdem ich ihn nach seinem Befinden gefragt hatte, seine ganze Krankengeschichte. Er fing am Kopf an und war nach 30 Minuten erst bei seinen Bronchien. Und das Schlimmste daran war: Dies war die Kurzversion!
Ich denke, alle hier in Deutschland kennen solche Leute.
Man steht morgens auf, zieht sich an, frühstückt und geht dann zur Bushaltestelle, um zur Arbeit zu fahren. Und dann trifft man einen Bekannten und fragt ihn, wie es ihm geht. Und sobald der andere anfängt, wie »Dr. House« zu reden, ist der Tag stimmungsmäßig im Eimer.
Die Amis wären auch ganz anders drauf, wenn sie so was jeden Tag erleben würden. Wenn Bob beim Bowling eine Lanze für Blasenschwäche brechen würde und Cindy beim Elterntreff ständig über ihre Kreislaufprobleme lamentieren würde, dann wären die Amerikaner sehr schnell ganz anders drauf. Viel deutscher eben.
Ich selbst sehe es eigentlich recht locker und bin ziemlich optimistisch, was den Pessimismus hier in Deutschland angeht. Denn ich habe oft die Erfahrung gemacht, sobald Deutsche nach Amerika in den Urlaub fahren - sei es nach New York, Las Vegas oder nach Florida —, verwandeln sie sich in kleine Amerikaner, zumindest was die optimistischere Lebenseinstellung angeht. In den USA angekommen werden sie sofort begrüßt: »Welcome to Florida! How are you today?«, und ihre Antwort hat nichts mit Schweißfüßen, Gallensteinen oder schweren Beinen zu tun, sondern lautet stattdessen: »I'm doing fine, thank you.«
Jedes Mal wenn ich nach Florida fliege, um meine Mutter zu besuchen, erlebe ich solche Deutschen. Sie werden von ihren amerikanischen
Freunden am Flughafen abgeholt und verwandeln sich sofort in total optimistische Menschen.
»Hiiiiiiiiiiii, Tobias! Good to see you!«
»Hiiiiiiiiiii, Steve. Good to see you, too!«
»And hiiiiiiiii, Kerstin! You look great!«
»Thanks, Steve! You also look great!«
»How was your flight?«
»It was great!«
»That's great!!!! I'm glad that it was great!!!!«
»Me too!!!!!«
»Are you looking forward
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