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Doppelgänger

Doppelgänger

Titel: Doppelgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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man mir gesagt hat.« Tom zog sein Hemd aus und griff nach dem Pyjama. »Sie wollen natürlich, dass wir die Augen offen halten. Aber ich denke nicht daran, die ganze Nacht am Strand zu stehen, nur weil jemand ein Gerücht in die Welt gesetzt hat.«
    »Ich glaube doch nicht an Meerjungfrauen«, setzte er hinzu und blickte Netta an, die in ihrem durchsichtigen Nachthemd im Bett lag. »Warum sollte ich auch? Ich habe, was ich haben will.«
    »Du bist ein Schatz«, sagte Netta mit einem leisen kehligen Lachen und legte ihr Buch zur Seite.
     
    In dem verfallenen, halb abgebrannten Farmhaus, in dem Miss Felicia Beeding untergekrochen war, nachdem seine Eigentümer es verlassen hatten, verbreitete nur eine kleine Petroleumlampe ihr trübes Licht. Miss Beeding saß in einem Sessel, dessen rechte Armlehne fehlte, und schaukelte langsam vor und zurück – vor und zurück. Der Raum, in dem sie lebte, war unvorstellbar dreckig: alte Zeitungen waren über die Reste der halbverbrannten Möbel gebreitet und verdeckten Teile des Fußbodens, die zerbrochenen Fenster waren mit Pappe und Plastikfetzen verhängt. Die Bierflasche, die die Besucher ihr gegeben hatten, war leer und lag umgekippt neben ihrem Sessel. Auf leeren Magen – sie hatte außer einem Brotrest, den sie noch gehabt hatte, den ganzen Tag lang nichts gegessen – reichte die kleine Menge Bier, um sie schläfrig zu machen.
    Es klopfte an die Tür. Sie hob den Kopf und fuhr aus ihrem Dämmern.
    »Kitty – Kitty!« murmelte sie automatisch, schüttelte dann den Kopf und runzelte die Stirn. Elegance, der Kater, ihr Gefährte während sieben einsamer Jahre, war vor mehreren Monaten von einem Lastwagen überfahren worden, und sie hatte ihn selbst in der mit Kreidebrocken durchsetzten Erde hinter dem Haus begraben.
    »Also kann es nicht Elegance sein, der herein möchte«, murmelte sie und stemmte ihre alten Knochen vom Sessel hoch. »Aber vielleicht ist es eine andere Katze, die einer armen, alten Frau Gesellschaft leisten möchte. Wäre das nicht schön? Ein Fremder kommt aus der Nacht und schnurrt vor der Tür.«
    Lächelnd machte sie ein paar unsichere Schritte und musste sich an der Wand abstützen, um nicht hinzufallen.
    »Oder vielleicht sind diese netten, jungen Leute zurückgekommen, um sich dafür zu bedanken, dass sie ihr Picknick hier machen durften«, überlegte sie laut. »Erstaunlich, dass man heutzutage noch so gute Manieren antrifft! Es wäre sehr unhöflich von mir, wenn ich ihnen nicht öffnen würde, nicht wahr, Elegance …? Ach nein. Natürlich. Du bist nicht hier …«
    Ein zersprungener halb erblindeter Spiegel hing an einem krumm eingeschlagenen Nagel. Er war schon zweimal heruntergefallen, aber die mit Fliegenkot übersäten Scherben zeigten noch immer ihr altes Gesicht. Sie blieb vor dem Spiegel stehen, griff mit einer automatischen Bewegung nach ihrem Haar und sah nicht das Spiegelbild ihrer jetzigen Erscheinung, sondern das einer früheren, jüngeren Miss Beeding, die den tapferen Captain Horder für sich gewonnen hatte und ihn geheiratet hätte, wenn er nicht bald darauf in einer Seeschlacht gefallen wäre. Sie trat von dem Spiegel zurück – sie hatte nur einen Herzschlag lang vor ihm gestanden – und öffnete die Tür. Sie hob die Petroleumlampe, um den späten Besucher erkennen zu können.
    Zehn Sekunden später schrie sie gellend auf, und die Petroleumlampe zersplitterte auf dem Boden.

 
8
     
    Das Schrillen des Telefons riss Bruno aus einem unruhigen Schlaf. Er hatte geträumt, über das Wasser zu gehen und Fußspuren zu folgen, in die er nicht treten durfte, da sie unter seinen Füßen nachgeben würden und er dann ertrinken müsste.
    Während er noch versuchte, wieder in die Realität zurückzufinden, hörte er am Rande seines noch halb benommenen Bewusstseins Cress rufen: »Ich gehe ran!« Und nachdem weitere Sekunden vergangen waren, erkannte er, dass sie ihm den Hörer entgegenstreckte und sagte: »Für dich – es ist Monty.«
    Bruno versuchte, ein Gähnen zu unterdrücken, und presste den Hörer an sein Ohr. »Kaffee fertig?« fragte er Cress.
    »Läuft gerade durch«, antwortete sie und ging in die Küche zurück.
    »Ja, Monty?« sagte Bruno. »Was ist los, dass du um diese unmenschlich frühe Zeit anrufst?«
    »Es ist fast zehn, Baby. Es gibt Leute, die um diese Zeit schon arbeiten. Was ist mit dem Zeug, das in der Zeitung steht, das ist alles, was ich wissen will.«
    »Verdammt, Monty, ich bin eben erst aufgewacht. Was für

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