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Doppelgänger

Doppelgänger

Titel: Doppelgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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auszuschnüffeln.«
    »Das weiß ich«, sagte Sellers irritiert. »Partnertausch im Urlaub und solche Sachen«, setzte er hinzu.
    Leigh-Warden lächelte. »Glauben Sie bloß nicht, dass Sie mit einer so plumpen Riposte meine Deckung unterlaufen können! Die Menschen lesen so etwas nun mal gerne, und die Zeitungen kaufen solche Geschichten, und davon lebe ich. Es könnte auch an Ihnen etwas Gutes davon kleben bleiben.«
    »Wissen Sie, wie das bei Ihnen klingt?« sagte Sellers. »Sie kennen doch dieses Zeug, das man auf Banknoten sprüht, die vielleicht gestohlen werden könnten? Ich meine die Chemikalie, die beim Kontakt mit der Haut grün oder blau wird, und die man nicht abwaschen kann?« Er runzelte die Stirn. »Ich jedenfalls ziehe es vor, saubere Hände zu behalten, Mr. Leigh-Warden.«
    Der Reporter starrte ihn eine ganze Weile an, dann machte er ohne ein Wort auf dem Absatz kehrt und stieg in seinen Wagen.
    Sellers war ein wenig stolz, hatte andererseits jedoch das Gefühl, sich eben wie ein Trottel benommen zu haben, als er seinen Roller startete, den Gang einlegte und Gas gab.

 
15
     
    Leigh-Warden fuhr in die kurze Einfahrt des Bungalows, in dem er wohnte, schaltete die Zündung ab und stieg aus. Er hatte keine Lust, das Garagentor zu öffnen und den Wagen hineinzufahren; er ließ ihn draußen stehen und ging ins Haus, goss sich einen Whisky ein, ließ sich in einen Sessel fallen und starrte nachdenklich vor sich hin.
    Er hatte keinerlei Illusionen über sich. Er hätte fest angestellter Reporter einer der großen Zeitungen oder Zeitschriften sein können – sein sollen – und nicht nur ein mit Zeilenhonorar bezahlter zweitklassiger Reporter in der tiefsten Provinz, der gerade so viel verdiente, wie er zum Leben brauchte. Irgendwie waren ihm die Chancen, die er hätte packen sollen, eine nach der anderen aus den Händen geglitten, und er hatte zu trinken begonnen, und die Zeit war vergangen, und schließlich hatte er einsehen müssen, dass es für ihn nur noch eine Zukunft gab: identisch mit der Gegenwart.
    Trotzdem, er hatte immer noch eine gute Nase für Nachrichten. Die meiste Zeit verbrachte er damit, Anzeichen kleiner Skandale auszuschnüffeln. Sellers hatte ihm gerade vorgeworfen, seinen Lebensunterhalt mit Artikeln über Partnertausch im Urlaub zu verdienen, und das entsprach mehr oder weniger den Tatsachen. Die Wochenblätter hatten eine Vorliebe für solche Geschichten und zahlten gut für komplette, saftige Details. Er hielt sich jedoch auch über andere Themen auf dem laufenden: über alles, was eine gute Schlagzeile hergab. Wenn eine der großen Tageszeitungen Interesse für Schwachstellen im Fernverkehr zeigte, konnte er ihnen am nächsten Tag einen lokalen Bericht schicken; wenn im Parlament eine Debatte über die Wasserverschmutzung vor Englands Küsten angesetzt wurde, konnte er sofort druckfertige Interviews mit Benutzern von Campingplätzen zu diesem Thema liefern.
    Pop-Gruppen waren in diesen Tagen auch immer gut für eine kurze Meldung oder auch für eine ausführlichere Story, und das war der Grund, warum er Bruno sagen konnte, dass er die Sendung ›Top of the Pops‹ im Fernsehen ständig verfolgte. Er informierte sich über alles, was sich als Nachricht verkaufen ließ.
    Und aus der zufälligen Begegnung mit Bruno und seiner Gruppe und dem, was danach geschah, konnte er jetzt die Konturen einer Entwicklung erkennen. Er wusste nicht, was es war, doch vertraute er seinem Instinkt und seiner Erfahrung so weit, um recht viel Zeit und Mühe darauf zu verwenden, am Ball zu bleiben, wie man sagte. Er hatte mit Sam Fletcher von der Meeres-Forschungsstation gesprochen; er hatte das Depot für organische Säuren angerufen; er hatte sämtliche Quellen seiner privaten Verbindungen angezapft.
    Und – er nickte zufrieden – die Konturen wurden immer deutlicher.
     
    Während der Fahrt auf dem dunklen Band der Autostraße M-1 sprachen die Mitglieder der ›Hermetic Tradition‹ nur wenig. Sie hatten in Birmingham gespielt, es war spät, und sie waren müde.
    Wenn sie jedoch sprachen, drehte es sich immer nur um ein Thema: die beunruhigende Entdeckung, die Cress gemacht hatte. Die scheußliche Maske, die sie modelliert hatte, baumelte, mit Tesafilm befestigt, am Armaturenbrett und erinnerte sie jedes Mal, wenn sie sie ansahen, an den abgestürzten Piloten, dessen zerstörtes Gesicht sie darstellte.
    »Aber was kann mit ihm geschehen sein?« dachte Bruno laut, ohne eine Antwort zu

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