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Doppelspiel

Doppelspiel

Titel: Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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ihrer Mutter und das ihres geliebten älteren Bruders.
    Ihr Bruder war stets der Held für sie gewesen. Nachdem er herausgefunden hatte, was ihr Vater getan hatte, war Lionel O’Donnell im Alter von zwölf Jahren zur Polizei gegangen. Zuerst hatten sie seine Aussage als kindliche Fantasie abgetan. Die Beamten mussten unzählige Spuren verfolgen, die meisten davon falsch, und sie standen unter enormem Druck, endlich den schlimmsten Serienmörder zu fassen, von dem sie je gehört hatten.
    Erst im Nachhinein erkannten sie, dass Lionel die Wahrheit gesagt hatte, doch da war es schon zu spät. Reggies gesamte Familie war an einem einzigen Tag ausgelöscht worden. Nachdem ihr Vater voller Wut herausgefunden hatte, dass er von seinem Sohn verraten worden war, hatte er sie alle getötet. Und er hätte auch Reggie getötet, wenn die Polizei nicht gekommen wäre. Sie hatte noch immer Albträume davon. Vermutlich würde sie die ewig haben.
    Reggie blätterte zu einem weiteren Artikel und begann sofort zu zittern, als sie das Bild und die Zeile darunter sah. Das Mädchen hatte das Haar zu Zöpfen geflochten. Der Blick war leer und der kleine Mund zu einem schmalen, gefühllosen Strich zusammengepresst. Keine Freude, keine Traurigkeit, gar nichts. Mehr als zwanzig Jahre später konnte Reggie sich kaum noch daran erinnern, wie es gewesen war, an diesem Tag fotografiert zu werden. Sie wusste weder, wo sie gewesen war, noch, was sie gedacht hatte.
    Ihr Blick wanderte zu der Bildunterschrift: Die einzige Überlebende der Familie, Jane Regina O’Donnell, sieben Jahre alt .
    Während der folgenden Wochen, Monate, ja sogar Jahre hatten die Ereignisse sich überschlagen. Die Familie ihrer Mutter hatte sie aufgenommen, und sie hatten das Land verlassen und sich ein neues Leben aufgebaut. Kein Wort wurde über die Vergangenheit verloren – nicht über ihre Mutter, nicht über ihren Bruder und mit Sicherheit nicht über ihr Monster von einem Vater. Und doch war Reggie, die inzwischen den Mädchennamen ihrer Mutter und nicht mehr den ihres Vaters trug, wieder in die Stadt zurückgekehrt, wo er seine grausamen Taten begangen hatte. Niemand kannte ihre wahre Identität. Sie war nicht länger sieben Jahre alt und vollkommen leer. Sie war Reggie Campion, eine erwachsene Frau, die sich aus den Trümmern ihrer Vergangenheit ein neues Leben aufbauen wollte.
    Und doch fragte sie sich jetzt – und das nicht zum ersten Mal –, ob Professor Miles Mallory wusste, wer sie wirklich war. Und falls ja, war er deshalb an sie herangetreten? In jedem Fall hatte er nie auch nur angedeutet, dass er ihre wahre Geschichte kannte, aber das wäre auch nicht seine Art gewesen.
    In der Box verbargen sich auch noch andere Gegenstände, doch Reggie beschloss, sich nur noch zwei davon anzusehen. Einer davon war ein Foto ihrer Mutter, einer kleinen blonden Frau, die Reggie als unschuldig, wenn auch nicht als sonderlich klug oder neugierig in Erinnerung hatte, aber auch als eine Frau, die ihre Kinder bedingungslos geliebt hatte. Der zweite Gegenstand war ein Bild ihres Bruders, Lionel, der zur Polizei gegangen war und damit die Schreckensherrschaft des Monsters in London beendet hatte, auch wenn ihn das das Leben gekostet hatte. Mit seinen zwölf Jahren war er schon genauso groß wie ihr Vater gewesen. Im Gesicht ähnelte er jedoch mehr der Mutter. Sein Haar war hell, die Augen blau und der Mund fast immer zu einem Lächeln verzogen gewesen, doch nicht auf diesem Bild. Das war das Foto ihres Bruders im Sarg. Reggie wusste nicht, wo das herkam; sie wusste nur, dass sie es vor ein paar Jahren gefunden hatte, und seitdem hatte sie sich einfach nicht mehr davon trennen können. Das war krank; das wusste sie. Aber es erinnerte sie auch an das große Opfer, das ihr Bruder gebracht hatte, um sie alle vor dem Bösen zu bewahren.
    Reggie legte die Sachen wieder in die Box, schloss sie ab und schob sie ins Fach zurück. Dann kehrte sie in ihre Wohnung zurück, packte ihre Tasche, stieg in ihren kleinen Wagen und fuhr nach Harrowsfield.
    Auf dem Weg dorthin dachte sie nur an Fedir Kuchin und wie sie ihn doch noch in die Finger bekommen könnte. Na ja, das stimmte nicht ganz. Sie dachte auch an einen anderen groß gewachsenen Mann mit dunklem Haar.
    Wo Shaw jetzt wohl steckte?

Kapitel siebenundsechzig
    K aum war Reggie an Leavesden vorbei und fuhr die Serpentinen zum Anwesen hinauf, da verschwand die Sonne hinter immer dunkler werdenden Wolken. Wenigstens passte das Wetter zu

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