Doppelspiel
Reggies Laune. Sie fuhr durch das Tor von Harrowsfield, parkte ihren Wagen, atmete tief durch und ging hinein.
Reggie hatte vorher telefonisch angekündigt, wann sie eintreffen würde, und so warteten sie jetzt auf sie in der Bibliothek: der Professor, Whit, Liza und Dominic. Auf dem Weg durch den Flur sah Reggie Niles Jansen, den Kollegen, den Shaw in der Provence bewusstlos geschlagen hatte. Sie warf ihm das Handy zu, das Shaw ihm abgenommen hatte.
»Wie geht’s dir?«, erkundigte sie sich und deutete auf den großen blauen Fleck in seinem Gesicht.
»Ich habe das Gefühl, als hätte mich ein verdammter Panzer überrollt«, antwortete Jansen.
»Ja, das kommt der Realität wohl erschreckend nahe.«
Reggie atmete noch einmal tief durch, öffnete die Tür zur Bibliothek, setzte sich an den langen Tisch, während alle anderen ihr gegenübersaßen, und berichtete noch einmal in allen Einzelheiten, woran sie sich aus Gordes erinnerte, und über die letzten Tage mit Shaw.
»Und mehr haben Sie nicht über ihn in Erfahrung gebracht?«, fragte Mallory. Er machte sich gar nicht erst die Mühe, seinen Unglauben zu verbergen.
»Es ist schwer, ein kompetentes Verhör zu führen, wenn man sich gleichzeitig die Seele aus dem Leib kotzt«, erwiderte Reggie. »Und Shaw ist niemand, der solche Informationen freiwillig preisgibt. Er ist offensichtlich sehr erfahren. Alles andere ist jedoch nur Spekulation.«
»Aber seine Organisation gehört offenbar einer offiziellen Stelle an und unsere nicht«, sagte Mallory.
»Und das heißt, dass man uns alle wegen versuchten Mordes vor Gericht zerren könnte, egal wie viel Gutes wir auch getan haben«, bemerkte Whit. »Kuchin könnte uns sogar verklagen, und vermutlich würde er auch gewinnen. Vielleicht sollten wir uns alle schon mal einen Anwalt suchen.«
»Das ist nicht komisch, Whit«, schnappte Liza. »Unsere gesamte Operation könnte gefährdet sein.«
»Shaw weiß nicht, wo wir sind«, sagte Reggie. »Es ist ja nicht so, als hätte ich ihn hierher gebracht.«
»Seht ihr? Das habe ich euch ja gesagt«, bemerkte Whit und drehte sich zu Reggie um. »Und Dom hier hat uns alle daran erinnert, dass du dir unser Vertrauen schon längst verdient hast.«
Reggie warf Dominic einen dankbaren Blick zu und wandte sich dann wieder an Mallory. »Aber das hilft uns auch nicht weiter. Mit ihren Ressourcen können diese Leute uns problemlos finden, zumal sie wissen, wie drei von uns aussehen.«
»Ich schlage vor, dass Sie alle bis auf Weiteres in Harrowsfield bleiben«, sagte Mallory.
Whit und Dominic nickten zustimmend.
Doch Reggie sagte: »Ich muss mich erst noch um ein paar Dinge kümmern; aber dann komme ich wieder zurück.«
Mallory nickte. »Gut. Das wäre dann geklärt. Wenden wir uns jetzt wichtigeren Dingen zu, nämlich Fedir Kuchin und seinem unglücklichen Überleben.«
»Wie gestern schon gesagt, werden wir uns ihm wieder an die Fersen heften«, erklärte Whit.
»Nun ja, nach längerer Überlegung stimme ich eher mit Ihrem Mr Shaw überein«, überraschte Mallory die anderen.
Reggie, die das Gespräch, auf das die beiden sich bezogen, nicht mitbekommen hatte, fragte: »In welcher Hinsicht?«
Whit meldete sich als Erster. »Er meint die Einschätzung deines Kumpels, dass Kuchin uns jagen wird. Also sollten wir lieber aufpassen, als selber auf die Jagd zu gehen.«
»Darüber habe ich auch noch mal mit Shaw gesprochen, kurz bevor wir uns getrennt haben«, sagte Reggie.
Mallory stand auf, ging zum Kamin und klopfte die Tabakreste aus seiner neuen Pfeife. »Da bin ich sicher. Und es sieht in der Tat so aus, als sei diese andere Organisation besser geeignet als wir, Mr Kuchin auszuschalten.«
»Aber sie werden es nicht tun«, platzte Whit heraus. »Das habe ich Ihnen doch schon gesagt. Sie haben sich zurückgezogen. Offensichtlich ist es ihnen egal, dass er kleine Mädchen als Nutten verkauft. Nachdem sich das mit den Terroristen erledigt hatte, war diesen Leuten der Rest gleichgültig.«
»Das war, bevor sie wussten, wer er wirklich ist.« Mallory drehte sich zu Reggie um. »Sie haben ihm das doch erzählt, nicht wahr? Dass Waller in Wahrheit Fedir Kuchin ist?«
»Ja. Aber er wusste nicht, wer das war.«
Mallory zog ein paar Mal an seiner Pfeife, um die Glut wieder zum Leben zu erwecken. »Egal. Jetzt wird er sich genauer darüber informieren, und wenn er weiß, dass er es mit dem wahren Schlächter von Kiew zu tun hat, dann stehen die Chancen gut, dass entweder seine oder
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