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Doppelspiel

Doppelspiel

Titel: Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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gewesen, eine ständige Schaukelei. Shaw hatte die Qual stoisch über sich ergehen lassen. Nicht ein einziges Mal war ihm schlecht geworden. Er hatte einfach nur am Tisch gesessen, ein Buch gelesen und sogar gegessen, und wann immer es nötig gewesen war, hatte er Reggie ein Handtuch und einen Eimer gereicht – und es war oft nötig gewesen.
    Dann und wann hatte Reggie auf der Suche nach Mitgefühl zu ihm hinaufgeschaut, doch er hatte keines gezeigt. Warum sollte er auch? Sie arbeiteten in einem gnadenlosen Beruf, und da musste man hart sein. Und Shaw war hart. Reggie andererseits hatte so ihre Probleme auf hoher See. Aber wie auch immer … Jetzt war sie jedenfalls sicher in England wie auch ihr ganzes Team. Es war ihnen zwar nicht gelungen, Kuchin zu eliminieren, aber es hätte schlimmer kommen können.
    Reggie fuhr mit der U-Bahn nach Knightsbridge. Später würde sie nach Harrowsfield rausfahren, doch erst musste sie noch etwas erledigen. Sie besaß ein kleines Schließfach bei einer Privatfirma, die sich auf die Lagerung von Wertsachen spezialisiert hatte. Die Firma verfügte über die neuste Sicherheitstechnologie: biometrische Scanner, Chipkarten, und jedes Fach war direkt mit dem nächstgelegenen Polizeirevier verbunden, während Digitalkameras die Räume überwachten. Diese Sicherheitsmaßnahmen kosteten Reggie fast hundert Pfund pro Jahr, aber sie waren jeden Penny wert.
    Reggie betrat das Gebäude und passierte erfolgreich mehrere Sicherheitsschleusen. Schließlich war sie allein im Tresorraum, öffnete ihr Fach und holte den Inhalt heraus. Sie stellte sicher, dass ihr Rücken sich zwischen der Kamera und den Gegenständen befand, die sie aus ihrer Box holte; dann setzte sie sich an den Tisch und las, obwohl sie all das schon auswendig kannte.
    Das war ihr Ritual. Das tat sie nach jeder Mission. Nur dass sie bis jetzt immer Erfolg gehabt hatte. Kuchin war ihr erster Fehlschlag, ihr erster Tritt in den Arsch. Trotzdem war sie hier. Und das war wichtig.
    Die Zeitungsartikel waren alt und vergilbt. Irgendwann würde das Papier sich vollends auflösen, doch die Informationen darauf hatten sich für alle Zeit in Reggies Geist eingebrannt. Dabei wünschte sie sich manchmal, es wäre anders.
    Robert O’Donnell, sechsunddreißig Jahre alt. Bei dem Foto des Mannes handelte es ich um ein ausgeblichenes SchwarzWeiß-Bild, doch Reggie erkannte ihn problemlos. Immerhin war das ihr Vater. Er war an ihrem siebten Geburtstag gestorben. Die Schlagzeile der Daily Mail deckte das Wesentliche ab und fügte dann noch auf typisch reißerische Art hinzu:
    Londons berüchtigtster Serienmörder seit Jack the Ripper ist tot!
    Das war nicht wirklich das, was ein kleines Mädchen an seinem Geburtstag über den Vater lesen wollte.
    Vierundzwanzig Frauen, alles Teenager oder Twens, waren durch die sadistische Hand ihres Vaters ums Leben gekommen … Oder zumindest war das die Zahl der bekannten Opfer. Die Leute hatten ihn sogar mit Ted Bundy verglichen, dem berüchtigten Serienmörder aus den USA, der ungefähr zu der Zeit hingerichtet worden war. Beide waren sie charmante, gut aussehende Männer gewesen, die junge Frauen in den Tod gelockt hatten. Nur dass Bundy nicht verheiratet gewesen war, und er hatte auch keine Kinder gehabt. Er war ein Einzelgänger gewesen. Reggies Vater hingegen hatte einen festen Job gehabt, eine liebende Ehefrau und einen Sohn sowie eine Tochter. Und doch war es ihm im Laufe der Jahre irgendwie gelungen, mindestens zwei Dutzend Menschen abzuschlachten, und das mit einer solch perversen Brutalität, dass selbst erfahrene Polizeibeamte, die die Leichen entdeckt hatten, anschließend in Therapie gemusst hatten.
    Auch jetzt noch, da keinerlei Zweifel mehr an diesen Verbrechen bestanden, fiel es Reggie schwer zu akzeptieren, dass der Mann, der sie gezeugt hatte, der gleiche Mann war wie der aus diesen Horrorgeschichten. Sie schaute sich einen weiteren Zeitungsartikel an. Er war zum vierten Jahrestag des Todes ihres Vaters verfasst worden. Er enthielt ein ganzseitiges Foto von ihm, und in dem Gesicht sah Reggie etwas vollkommen Unmenschliches. Aber sie sah auch etwas, was sie sogar noch mehr entsetzte.
    Meine Augen. Meine Nase. Mein Mund. Mein Kinn .
    Äußerlich ähnelte sie mehr ihrem Vater als ihrer Mutter … äußerlich.
    Das Ende des gewalttätigen Lebens ihres Vaters hatte furchtbare Folgen gehabt, denn es hatte auch das Ende von zwei weiteren Leben markiert, die Reggie sehr am Herzen gelegen hatten: das

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