Doppelspiel
sich den Bauch, trat auf den Steg, kniete sich hin und küsste die schleimigen Planken, als ihr Boot wieder abfuhr. Das Boot wurde von einem Holländer gesteuert, den Shaw schon seit Jahren kannte, und zwar aus Gründen, die er Reggie nicht verraten wollte. Ihre Anlegestelle war ein altes, vergessenes Dock aus dem Zweiten Weltkrieg, mitten im Nirgendwo. Shaw und Reggie hatten fast drei Tage gebraucht, um nach England zu kommen, und den größten Teil davon hatten sie auf diesem Boot verbracht, das sich mit quälender Langsamkeit durch die unruhige See gekämpft hatte.
»Danke, lieber Gott«, stöhnte Reggie. »Danke.«
»Ja, die Fahrt war wohl wirklich ein wenig rau«, bemerkte Shaw und half ihr wieder auf.
»Ein wenig rau?« Reggie zog sich der Hals zusammen, und sie sah aus, als müsse sie sich gleich wieder übergeben; doch schließlich straffte sie die Schultern, atmete tief durch und stützte sich an Shaw ab. »Ich war zwischenzeitlich fest davon überzeugt, dass wir am Grund des Meeres landen würden.«
»Das letzte Mal habe ich in einem Schiff die Irische See überquert. Das war auch recht ruppig. Die Frau, die mich damals begleitet hat, hat sich ständig übergeben – genau wie du. Das ist wohl so eine Frauensache.«
»Wer war das?«, fragte Reggie, während sie sich an Shaws Seite langsam, aber freudig aufs Land zubewegte.
»Das ist schon lange her.«
»Und woher wusstest du von dieser Anlegestelle?«
»Die hat sich in der Vergangenheit schon ein paar Mal als nützlich erwiesen.«
»Das ist ein ziemlich großes Loch in unserer Grenzsicherung.«
»Jedes Land hat mindestens eins davon.«
Als sie auf das Gras neben dem Pier traten, holte Reggie das Handy aus der Tasche und schaute aufs Display. Der Akku war fast leer, und sie hatte kein Netz. Schon während der Überfahrt hatte sie niemanden kontaktieren können und jetzt auch nicht. »Na, toll.«
»Ich habe sowohl ein Netz als auch Strom. Gib mir die Nummer, und ich rufe an.«
»Vergiss es. Dann hättest du die Nummer auf deinem Apparat.«
»Das ist nicht mein Handy. Es gehört einem von deinen Jungs. Dem, den ich mit der Toilette k.o. geschlagen habe.«
»Hast du dir die Kontaktinformationen darauf angeschaut?«
»Nein.«
»Du lügst.«
»Vielleicht.«
»Kann ich es haben? Ich brauche ein Handy.«
»Vielleicht später.«
Da Shaw gut einen Fuß größer als Reggie war und fast hundert Pfund mehr wog, ließ sie das auf sich beruhen. Sie schaute sich um.
»Wo genau sind wir eigentlich?«
»Ein paar Stunden von London entfernt. Ich habe uns einen Wagen organisiert. Wo willst du jetzt hin?«
»Ich denke, hier trennen sich unsere Wege.«
»Das ist keine gute Idee. Kuchin kann …«
»Er kann vieles tun, aber uns fangen gehört nicht dazu. Whit hat recht gehabt. Wir werden uns ihm wieder an die Fersen heften.«
Shaw packte sie am Arm, als wolle er sie schütteln. »Was genau hast du nicht verstanden? Der Kerl hat euch schon einmal fast umgebracht, und das, als er nicht wusste, dass ihr kommt. Jetzt, wo er gewarnt ist, habt ihr keine Chance mehr.«
»Wir haben ihn auch beim letzten Mal fast erwischt.«
»Und hast du schon einmal darüber nachgedacht, warum das nicht geklappt hat?«
»Was?«
»Wie haben diese Jungs es geschafft, euch in einen Hinterhalt zu locken?«
Reggie riss sich von ihm los. »Woher soll ich das denn wissen?«
»Das musst du aber wissen. Sie hatten Insiderinformationen. Sie haben auf euch gewartet. Ihr habt einen Maulwurf irgendwo.«
»Das ist unmöglich.«
»Dann gib mir eine andere Erklärung, die passt.«
»Wir haben irgendwie Mist gebaut, und so sind sie uns auf die Schliche gekommen. Ich habe mich zum Beispiel im Vorfeld mit Whit in der Kirche getroffen, um den Plan noch mal durchzugehen. Jemand könnte mir da gefolgt sein.«
»Aber warum hätten sie überhaupt einen Verdacht gegen dich hegen sollen?«
»Du bist doch derjenige, der immer wieder betont, wie gut Kuchin ist. Vermutlich verdächtigt er jeden.«
»Ich habe ihm zugehört, als er an den Sarkophag gefesselt war, und du auch. Er hat zwar damit geprahlt, euch alle umzubringen, aber er hat definitiv auch damit gerechnet, dort zu sterben. Außerdem, wenn er Verdacht geschöpft hätte, warum ist er dann überhaupt mit dir in die Kirche gelaufen?«
»Wir haben das, was du uns über die Islamisten erzählt hast, genutzt, um ihn dorthin zu treiben.«
»Einfach so?«
»Einfach so«, erwiderte Reggie. »Und es hat ja auch geklappt.«
»Wenn
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